Reiseräder nicht aufzuhalten

Das Fahrrad für unterwegs soll den Weg zum Ziel machen. Führende Hersteller setzen deshalb auf Stabilität, Federelemente und High-End-Qualität – und verlangen dafür auch hohe Preise

Ein gutes Reiserad sollte robust sein, aber gleichzeitig wendig, schnell und bequem

von HELMUT DACHALE

Immer mehr Menschen gehen mit dem Rad auf die Reise – doch kaum jemand fährt noch ein Reiserad. Trekkingräder sind en vogue. Doch gerade unter diesen sind etliche mit besten Reisequalitäten zu finden.

Wobei das Rad für die Reise mittlerweile recht unterschiedlichen Ansprüchen zu genügen hat. Gemütlicher Ausflug, flotter Marathon oder lieber über abseitige Wald- und Wiesenpfade – alles soll möglich sein. Und immer ist Gepäck mit im Spiel. So muss ein Reiserad grundsätzlich ein robustes Fahrzeug sein, das sich jedoch durch Eigenschaften auszeichnet, die man ihm eigentlich nicht zutraut: Wendigkeit, Schnelligkeit, Bequemlichkeit. Das setzt einen stabilen und zugleich leichten Rahmen voraus, der selbst bei schwerer Zuladung nicht zum Flattern neigt. Also ist eine Legierung wie Chrommolybdänstahl (CrMo) oder Aluminium heutzutage erste Wahl. Langer Radstand allerdings – vor Jahren noch Pflicht – wird nur noch dann empfohlen, wenn man wirklich einen Langstreckenläufer für gut ausgebaute Strecken haben will. Der Rahmen sollte mit Gewindeösen versehen sein, damit Halterungen für Trinkflaschen und den vorderen Gepäckträger angebracht werden können. Klar, dass auch der hintere Gepäckträger stabil und die Bereifung pannensicher sein muss. Ob eine 27-gängige Kettenschaltung oder nur eine Siebengangnabe vonnöten ist, hängt von den Einsatzzwecken ab.

Viele Hersteller bieten daher Ausstattungsvarianten und Extras an. „Custom made“, nach Maß gearbeitet, heißt dies gleich bei der Firma Epple. Die kennt die Kategorie „Reiserad“ auch nicht, hat aber unter ihren Trekkingrädern mehrere ausgesprochene Reisemodelle. Etwa das „Grizzly Suspension“ (mit Parallelogramm-Federgabel und gefederter Sattelstütze) und das ungefederte „Grizzly“. Beide gibt es mit Damen- oder Herren-Aluminiumrahmen, solidem Gepäckträger aus dem gleichen Material und Hohlkammerfelgen.

Vorherrschender Eindruck: ein starkes Gefährt, aber dank vielem Leichtmetall alles andere als ein Schwergewicht. Der Kunde hat die Wahl zwischen drei hochgradigen Shimano-Kettenschaltungen und den Naben-Ketten-Kombinationen von Sram (drei Nabengänge mit jeweils sieben bis neun Ritzeln). Besonderheiten wie etwa der verstellbare Vorbau werden über Aufpreis montiert. Für ein ungefedertes „Grizzly“ mit Shimanos „Deore“-Schaltung und ohne Extras sind rund 1.750 Mark hinzublättern.

Federungen am Reiserad waren bis vor ein paar Jahren sowieso noch ein Unding. Das Gepäck galt als das Problem, vor allem das schwere auf dem hinteren Träger. Auch Epples gefedertes „Grizzly“ will die Aufschwingung der Zuladung vermeiden und kommt zumindest ohne Hinterradfederung daher.

Anders das „Delite black“, das von Riese und Müller vollgefedert auf die Reise geschickt wird. Nicht nur der Low-Rider, auch der Gepäckträger ist ins Federungsgeschehen einbezogen. Hinten sorgt eine Eingelenkschwinge für Sanftheit, vorne ein Feder-Dämpfer-Element, beides einstellbar. Auffällig: der gedrungene Alurahmen in niedriger Höhe (52 oder 57 Zentimeter), mit relativ kurzem Radstand und voluminösen Rohrdurchmessern. Dazu Laufräder, die quasi eine Nummer kleiner ausfallen (26 Zoll). Mit diesem schwarzen Zossen wird man es wohl ohne weiteres wagen, die Abkürzung über die holprige Kuhweide zu nehmen. Selbst voll bepackt dürfte man dann immer noch schneller sein als der Bulle. Manche Reiseräder kann man einfach nicht aufhalten. Und auch sonst lässt sich Riese und Müller nicht lumpen: Kevlar-verstärkte Reifen, eine feine Schaltung von Shimano mit 27 Gängen (Deore XT/LX) und sogar drei Trinkflaschen. Das hat seinen Preis: circa 3.300 DM.

Noch gar nichts gegen das „Delite grey“, dessen Geometrie ähnlich aussieht, das indes in drei Höhen (49, 54 und 60 Zentimeter) zu haben ist, zudem mit anderen Federelementen und insgesamt mit einer Ausstattung für „höchste Ansprüche“ offeriert wird. Macht: 7.000 Mark. Eines allerdings muss man Riese und Müller lassen: Sie revolutionieren nicht nur das Design, sondern bringen auch viel Komfort ans Rad.

Wer’s lieber etwas traditioneller mag, könnte an der „Silbermöwe“ Gefallen finden, gebaut seit 17 Jahren: CrMo-Rahmen mit langem Radstand und als Damen- und Herrenversion in jeweils drei Höhen. Ein Rad, das ständig modifiziert wird und insofern auch schon mit Satteldämpfung und Federgabel ausgestattet sein kann. Soll’s hingegen ungefedert und lediglich eine Siebengang-Nabenschaltung sein, darf man auf der „Silbermöwe“ schon für gut 2.000 Mark davonfliegen. Hersteller Utopia pflegt auch sprachlich die Tradition. Sein Vogel ist ein „Reiserad für Weltenbummler“. Nicht mehr und nicht weniger.