Das Schweigen der Fans

Alba Berlin gewinnt das Auftaktspiel im Playoff-Viertelfinale gegen die Frankfurt Skyliners mit Mühe 86:80. Die Berliner beschweren sich über zu leise Fans, Frankfurt hofft auf Revanche am Mittwoch

„Die haben nicht so gespielt wie einer, der die Saison schon abgehakt hat“

von MARKUS VÖLKER

Die Abreise glich einer Flucht. In der Umkleidekabine blieben ein paar zerschnittene Tape-Verbände zurück. Flaschen lagen am Boden. Die Frankfurt Skyliners liefen schneller zum Bus, als zuvor manchen Schnellangriff. Der Zug erwartete sie dringend. So blieb der Eindruck, da stehle sich ein Schuldiger vom Tatort. Dabei hatten die Frankfurter allen Grund, ruhig und in aller epischen Breite ihre Einschätzungen zum Verlauf des ersten Playoffs bei Rekordmeister Alba Berlin darzulegen. Zur Eile drängte sie nur eine Spielverzögerung. Ein Korb in der Max-Schmeling-Halle schnippte vor dem ersten Sprungball nicht mehr in die Horizontale. Das kostete eine halbe Stunde.

Henrik Rödl, als Offenbacher hegt er stille Sympathie für die Hessen, war ebenso schnell aus der Dusche und stellte fest, dass dieses Spiel „sehr schwer“ gewesen sei. Offenbar schwerer als erwartet. „Frankfurt war weit, weit motivierter als während der Saison“, sagte Rödl, seit acht Jahren bei Alba Berlin beschäftigt. „Bislang haben die sich unter Wert verkauft und viel Unglück gehabt.“ Verfolgt von Verletzungen, heimgesucht von Problemen verfehlte Frankfurt mit Tabellenplatz acht die eigenen Ansprüche meilenweit.

Um den verloren gegangenen Zusammenhalt zurückzugewinnen, reiste die Mannschaft vor dem Playoff-Viertelfinale nach Mallorca. Das Trainingslager scheint sich auszuzahlen. „Wir spielen wieder als Mannschaft“, erkannte Skyliner Kai Nürnberger, laut Rödl noch immer der „beste Pointguard mit deutschem Pass“. Überdies hatten die Schützlinge von Frankfurts Trainer Stefan Koch keine Angst, freie Würfe zu verwerten. Das Selbstbewusstsein ist also zurück. Die gute Trefferquote von der Dreipunktlinie (48 Prozent; Alba: 31) unterstreicht das. Nur in der Schlussphase fehlte etwas von „der Entschlusskraft“, „der Frechheit“, die Alba-Vizepräsident Marco Baldi dem Gegner zuschrieb.

So gewann Alba Berlin vor 4.087 Zuschauern doch noch mit 86:80 (43:51), und Baldi sorgte sich um das Publikum, das, verwöhnt von einer Vielzahl von Siegen, zu lässig das Spiel beäuge. „Unser Feind“, so Baldi, „ist momentan der Fan, der sagt: ,Ich komme erst zum dritten Spiel der Playoff-Serie.‘“

Dabei lief es nicht zwangsläufig auf einen Sieg Albas heraus. Die Skyliners lagen bis zur 32. Minute vorn. „Die haben nicht so gespielt wie einer, der die Saison schon abgehakt hat“, sagte Baldi. Erst im letzten Viertel hätten die Fans den Ernst der Lage erkannt und endlich Lärm geschlagen. Wieder einmal zermürbte die aggressive Deckung den Gegner. Zuvor jedoch verblüffte Frankfurt mit Zwischenspurts, einmal 9:3, andermal 11:4. So erwarfen sie sich im zweiten Viertel einen Vorsprung von zwölf Punkten.

„Wir sind auch aus Fleisch und Blut und keine Computer“, meinte Alba-Coach Emir Mutapcic zum trägen Beginn seiner Werfer. Diesbezüglich waren in der Bundesligavorrunde erhebliche Zweifel entstanden, denn 25 Siege und nur eine Niederlage der Albatrosse sprachen für sich.

Aber Alba Berlin ist zur Vorbereitung auf die Playoffs auch nicht auf eine Ferieninsel geflogen, sie haben daheim den Körper getrimmt. Eigens dafür wurde der jugoslawische Konditionstrainer Milivoje Karalejić nach Berlin eingeflogen. Das Kalkül: Auch wenn Alba in den ersten Spielen noch etwas erschöpft ist, wird das verschärfte Training im Finale den entscheidenden Vorteil verschaffen. Zunächst steht aber am Mittwoch das zweite Spiel der auf maximal fünf Begegnungen angelegten ersten Runde in der Frankfurter Ballsporthalle an.

Für Gunnar Wöbke ist das ein Anlass zu verkünden, „dass wir sie schlagen können“. Wöbke, der das Geschäftliche am Main regelt, beobachtete unbeschadet eine „deutliche Leistungsexplosion“. Stefan Koch kommentierte das Spiel maßvoller: „Das war unser bestes Spiel seit langer Zeit.“ Und: „Wir glauben an unsere Chance am Mittwoch.“ Drei Tage später werden sie erneut in Berlin antreten. Dann könnte die Abreise wieder überstürzt ausfallen. Ganz ohne Zeitnot.