Glück auf Schalke

Der Tabellenführer macht es gegen Wolfsburg wie sein Verfolger: Spielt ziemlich schlecht und gewinnt dennoch

GELSENKIRCHEN taz ■ Am Ende konnten sich die Schalker noch nicht einmal mehr über den glücklichen Sieg gegen den VfL Wolfsburg und die sichergestellte Teilnahme an der nächsten Champions-League-Runde freuen. Zu tief saß die Enttäuschung über den späten Siegtreffer der Bayern in Leverkusen. „In unserer Kabine herrscht eine Stimmung, als hätten wir das Spiel verloren“, erklärte ein sichtlich geschaffter Rudi Assauer den verdutzten Pressevertretern. – „Noch Fragen?“ Nein, nicht wirklich. Danke für’s Gespräch.

Draußen zogen derweil die Fans schweigend ab, nur vereinzelt trotzige Gesänge von sich gebend wie „Deutscher Meister wird doch der S 04“. Überzeugend wirkte das Auftreten der Schalker Fans nicht – ähnlich wie das ihrer Mannschaft wenige Stunden zuvor. Das passte ins Bild dieses Nachmittags, der durchaus zum königsblauen Triumphzug hätte werden können, an dessen Ende aber mal wieder die Bayern die Hauptrolle spielten und den Schalkern – Mannschaft wie Fans – das Wochenende doch gehörig versauten.

Schon während des Spiels war es im Parkstadion ungewöhnlich still. Zaghafte Anfeuerungen gab es nur, um Interesse zu heucheln. Mit den Gedanken war man wohl in der BayArena – und vergaß dabei das eigene Spiel. Bei jeder Einblendung blickte das Publikum gebannt zur Anzeigetafel: Über 58.000 in fast demütiger Erwartung eines Ausrutschers der Bayern. Eine lähmende Atmosphäre verbreitete dies, von der sich die Schalker Spieler ganz offenbar anstecken ließen: Emile Mpenza stolperte slapstickartig über seine eigenen Beine, Andi Möller suchte seine Mitspieler und fand sie nicht. Der Rest der Mannschaft fügte sich nahtlos ins triste Bild: Ballannahme und Passspiel mangelhaft, Torschüsse Fehlanzeige. Ein Kollektiversagen in den Grundlagen des Fußballs quasi; ein Eckball war die magere Bilanz der ersten 30 Minuten.

Alles in allem ein bisschen wenig war das für einen endlich auch „bekennenden Meisterschaftsanwärter“ (Ebbe Sand). Stattdessen musste Oliver Reck zweimal den Rückstand verhindern, weil die Wolfsburger immer stärker wurden und ihre Führung nur noch eine Frage der Zeit zu sein schien. Und davon, das war klar, würden sich die Schalker niemals erholen.

Doch so weit war es noch nicht. Der Ergebnisdienst vermeldete die Rostocker Führung gegen Cottbus und den Ausgleich der 60er gegen Köln. Und, wichtiger als alles andere: Noch kein Tor in Leverkusen. So konnte es bleiben, eigentlich. Aber was nützt das schon, wenn man seine eigenen Hausaufgaben nicht macht. „Die Mannschaft muss ihren eigenen Weg gehen“, forderte Möller hinterher und schritt schon mal voran. In der 31. Minute bediente er mit einem traumhaften 50-Meter Pass Ebbe Sand. Der traf prompt und ebenso gefühlvoll zur Schalker Führung. Zwei Minuten später erinnerte sich dann Emil Mpenza für einen kurzen Moment seiner Fähigkeiten und schloss seine erste gelungene Aktion mit dem 2:0 ab. Zwei Minuten Fußball und das Spiel, ja die Meisterschaft, schien gelaufen.

Mit einem Male war die Sicherheit da. Ballstafetten in der eigenen Hälfte, Rückpässe aus 50 Metern in bewährter, arroganter Bayern-Manier. „So spielt der Meister“, sangen sie nun auf den Rängen. Und für kurze Zeit vergaßen alle, dass in 70 Kilometern Entfernung auch noch gespielt wurde. Dann ein Aufschrei – und die aufleuchtende Führung der Bayern auf der Anzeigetafel. Entsetzen im weiten Oval war die Folge, nicht nur Mike Büskens schlägt die Hände vors Gesicht. Die Mannschaft ist geschockt, noch geschockter, als Andrzej Juskowiak kurz darauf den Anschlusstreffer erzielt.

Die Schalker taumeln nun nur noch dem Schlusspfiff entgegen, in der Nachspielzeit trifft Tomislav Maric noch den Außenpfosten für die Gäste. Dann endlich das Spielende. Die Spieler sinken zu Boden, verhalten kommt der Jubel von den Rängen. Grausam gekickt und doch gewonnen. So weit, so gut, dachte auch Huub Stevens und kleidete das derart in Worte: „Wenn man oben steht, hat man eben doch das nötige Glück.“ Er meinte damit sein eigenes Team. Doch das kaufte ihm keiner ab, denn irgendwie dachten mal wieder alle an die Bayern. HOLGER PAULER