Bergarbeiter-Community als Star

Das Amber-Kollektiv demonstriert in „Like Father“ die Abhängigkeit einer Region  ■ Von Georg Felix Harsch

„Which side are you on?“ war die Frage, die 1984 beim großen Bergarbeiterstreik den Menschen im Nordosten Englands auf großen gelben Plakaten gestellt wurde. Um eine Antwort auf diese Frage ist das Amber-Kollektiv aus Newcastle upon Tyne seit über 30 Jahren nicht verlegen. Der 1969 gegründete Zusammenschluss von FilmerInnen und FotografInnen ist bei der Produktion seiner Dokumentar- und Spielfilme gleichermaßen um eine nicht-arbeitsteilige Einheit der Arbeitsschritte und der Distribution sowie eine direkte Anbindung an die dargestellte Comunity bemüht.

So entstand über die Jahre eine beträchtliche Anzahl von Filmen sowie ein Fotoarchiv, die den Wandel der Region und die Abhängigkeit ihrer BewohnerInnen von den gerade opportunen Produktionsweisen illustrieren. Aber auch über den Tellerrand hinaus wurde geblickt, als 1988 eine Dokumentation über Hafenarbeiterinnen in Rostock in Koproduktion mit der Defa unter dem Titel From Marks and Spencers to Marx and Engels entstand.

Anders als die Defa wurde das Bernstein-Kollektiv aber nie Abwicklungs-Opfer, sondern produzierte weiter. Und nachdem im Februar eine Metropolis-Werkschau einen Einblick in die bisherige Produktion gab, zeigt das 3001 heute Abend in der Britspotting-Reihe den neuesten Spielfilm des Kollektivs, Like Father.

Auch wenn die Themen (postindustrielle männliche Identitäten, Vater-Sohn-Konflikte) und Schauplätze (Arbeitersiedlungen, von der Schwerindustrie gezeichnete Strände und Wiesen) nach Vergleichen mit dem letztjährigen Brit-Hit Billy Elliot schreien, bei Amber funktioniert es anders: Hier rettet uns kein hochkulturelles Wesen, statt der Ballett-Akademie fungieren hier Taubenzüchter, Blaskapellen und Karaoke-Abende als Hintergrund für Geschichte.

Während der berentete Bergarbeiter Arthur dagegen kämpft, dass sein Kleingarten einem Bauprojekt zum Opfer fällt, gerät sein Sohn in Loyalitätskonflikte mit der Familie, weil er für die Baufirma – zur Eröffnung des umstrittenen Gebäudes – ein Stück für die örtliche Blaskapelle schreiben soll. Bevor solche Konflikte in eine kathartische Schlussszene münden, spitzen sie sich im halbdokumentarisch dargestellten Alltag der Figuren, in Schule, Arbeit und den berüchtigten Working Mens Clubs, zu.

Die einzige Beteiligte an Like Father, die so etwas wie Star-Status besitzt, ist Anna Gascoigne, Schwester von Fußballstar und Prole-Model Gazza. Alle anderen SchauspielerInnen sind eigentlich keine, üben sogar zum großen Teil die Berufe ihrer Figuren aus. Dramatisches Talent scheint aber zu Hauf vorhanden zu sein im Nordosten Englands, so dass die Intention, die ehemalige Bergarbeiter-Community zum Star des Films zu machen, auf ganzer Linie aufgeht. Auch wenn hier letztendlich nur wieder die Solidarität der Gemeinschaft gegen die Profitmacher beschworen wird, so kommen diese doch ebenfalls mitten aus der Community. Die Enge des Blicks, der dem auf das Insekt im Bernstein gleichen soll, wird nicht zur Erzeugung eines xenophoben Wärmegefühls genutzt, sondern thematisiert die Widersprüche dieser Variante des Modernisierungsprozesses.

Meilenweit weg vom Sozialrealismus des Amber-Kollektivs, aber ebenso latent unzeitgemäß kommt dann morgen Abend noch der Abschlussfilm der Britspotting-Reihe, Mumbo Jumbo, daher. Da reist ein erfolgloser amerikanischer Musiker in ein Land, das sich noch im 18. Jahrhundert befindet, um die dort verschwundene Prinzessin aus den Fängen eines Düngerfabrikanten zu befreien. Die abstruse Geschichte erscheint als wilde Mischung aus amerikanischen Slacker-Komödien der frühen 90er, dem überdrehten Klamauk von Monty Pythons Ritter der Kokosnuss und einer satirischen No-Budget-Version Tim Burtonscher Ästhetik. Stimmig ist hier wenig – und das soll es auch nicht sein. Aber als Gegenpol zur Ernsthaftigkeit von Like Father ist dieses Filmchen mit hohem Trash-Appeal bestens geeignet.

Like Father: heute, Mumbo Jumbo morgen, je 20 Uhr, 3001