Schutzmänner und Krieger

Polizisten sind gerne Helden. Recht und Ordnung setzen gerade junge Beamte bereitwillig mit Gewalt durch. Dies belegt die neue Studie „Cop Culture“ von Rafael Behr. Polizistinnen jedoch kommen bei ihm nicht vor

Die Polizeiführung setzt immer wieder auf die Gewaltbereitschaft der Polizisten

Das Handeln der Polizei wird in kritischen Analysen meist von seinen gesellschaftlichen Auswirkungen her betrachtet. Rafael Behr, Soziologe und Expolizist, hingegen lenkt die Aufmerksamkeit auf das Innenleben der Organisation, auf die Polizei als „Handlungs- und Interaktionszusammenhang“. Er fragt danach, welche Normen und Ideale in der alltäglichen polizeilichen Praxis handlungsleitend sind, in welcher Weise diese von unterschiedlichen Männlichkeitskonzepten eingerahmt werden und sich wiederum in spezifischen Teilbereichen der Polizeiorganisation verankern.

Eine Untersuchung solcher Handlungsmuster kann sich nicht in der distanzierten Analyse der offiziellen Leitbilder der Polizei erschöpfen, zumal diese in der Regel von hohen Beamten der Polizeiverwaltung erarbeitet werden. Behr geht es nicht zuletzt darum, die bisweilen fundamentalen Widersprüche zwischen offizieller „Polizeikultur“ und berufspraktischer „Polizistenkultur“ aufzuzeigen, die sich auch in innerorganisatorischen Konkurrenzverhältnissen zwischen „Kopf- und Handarbeitern“ widerspiegelt.

In seiner empirischen Herangehensweise konzentriert sich Behr allerdings auf die Street Cops. Mittels Interviews und teilnehmender Beobachtung widmet er sich den Handlungsroutinen derjenigen Polizisten, die zur „Klientel“ in einem direkten Kontakt stehen und dabei größtenteils auch physische Konfrontationen eingehen.

Als das von der Gesamtheit der Street Cops geteilte und somit hegemoniale Ideal macht Behr eine „Krieger-Männlichkeit“ aus, die aber nur innerhalb von Bereitschaftspolizeieinheiten alltäglich praktiziert werden kann.

Sie zeichnet sich durch einen ausgeprägten Freund/Feind-Modus, eine enorme Bedeutung körperlicher Stärke und das Leitmotiv des „Kampfes“ aus. Eine die eigene Gewalttätigkeit „legitimierende“ Bezugnahme auf den staatlichen Auftrag erfolgt dabei nicht immer. Bisweilen wird es auch nur als actionreiche und hedonistische Tätigkeit aufgefasst, in der weniger das Prinzip von Sieg oder Niederlage als vielmehr der kollegiale Beweis der „Bewährung in der Gefahr“ gilt.

Aus dieser Haltung resultiert letztlich auch ein Dauerkonflikt mit der Polizeiführung, denn die sieht sich zwar bei bestimmten Einsätzen – Atommülltransporten oder 1.-Mai-Krawallen – zwingend auf die Gewaltbereitschaft der Bereitschaftspolizei angewiesen, fürchtet aber zugleich, dass ihr die Kontrolle über die zumeist jüngeren Männer entgleitet. Quantitativ vorherrschend sind unter den Street Cops hingegen Männlichkeitsmuster, die sich vorwiegend am Arbeitsplatz Polizeirevier wiederfinden: die „Schutz-Männlichkeit“ sowie die „Unauffällige Aufsteiger-Männlichkeit“.

Der Schutzmann, im Durchschnitt auch deutlich älter als der „Krieger“, verfügt über einen wenig spektakulären, räumlich eng definierten Arbeitsbereich, in dem Kommunikation weitaus mehr Bedeutung zukommt als physischer Intervention. Dennoch verfügen auch Schutzmänner über wiederkehrende Erzählungen, die sie als Beteiligte an riskanten Einsätzen ausweisen. Nicht anders der „Aufsteiger“, der frühzeitig versucht, sich unauffällig in die Organisation einzugliedern und der die Handlungsmuster des Kriegers zumindest verbal weitgehend teilen muss, um nicht als Anfänger oder Theoretiker zu gelten.

Behrs Studie ermöglicht einen Einblick in die Organisationsstruktur der Ordnungshüter, der das Mit- und Gegeneinander von offizieller und alltäglicher Polizistenkultur anschaulich herausarbeitet. Dem eigenen Anspruch, auf diese Weise zu einem angemesseneren Verständnis der Wirkungsweise staatlicher Herrschaft beizutragen, wird sie sicherlich gerecht.

Besonders angesichts des stetig steigenden Frauenanteils in der Polizei muss die (von Behr nur rhetorisch eingesetzte) Frage, ob eine ausschließliche Auseinandersetzung mit Männern und Männlichkeitskonzeptionen ausreichend sein kann, ohnehin verneint werden.

OLIVER GEDEN

Rafael Behr: „Cop Culture – Der Alltag des Gewaltmonopols. Männlichkeit, Handlungsmuster und Kultur in der Polizei“, 259 Seiten, Leske + Budrich, Opladen 2000, 48 DM