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Gespräch als Chance

Seit gestern gibt es einen runden Tisch im Gesundheitswesen. Das neue Gremium um Gesundheitsministerin Ulla Schmidt geht dezent an den Start

von ANNETTE ROGALLA

Gut, dass man mal wieder über Gesundheitspolitik geredet hat. Oder zumindest seine Absicht bekundet, darüber reden zu wollen. So knapp lässt sich das Gespräch zusammenfassen, zu dem Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) gestern 21 Vertreter von Krankenkassen, sozialpolitischen Verbänden, Ärzten und anderen medizinischen Berufen nach Großziethen bei Berlin eingeladen hatte. Nachdem sie gut drei Stunden am runden Tisch miteinander verbracht hatten, gab Schmidt bekannt, welches Ziel das neue Gremium verfolgen will: „Über mittel- und langfristige Perspektiven, wie die Zukunft unseres Gesundheitswesens aussehen soll, in den Dialog eintreten.“

Im Abstand von drei Monaten will das Gremium tagen. Allerdings ist die nächste Zusammenkunft erst für Mitte September nach den Parlamentsferien geplant. Hat Ulla Schmidt nun ein Gremium für die Gesundheitspolitik gegründet, das ähnlich ambitioniert an den Start geht wie seinerzeit das Bündnis für Arbeit? Auf diesen Vergleich mochte man sich im Bundesgesundheitsministerium gestern nicht festlegen. „Wir haben eine Debatte zwischen Weißkittel, Politik und Gesellschaft eröffnet“, hieß es aus dem Amt. Wohin sie führen könnte, ist ungewiss.

Ob das Gremium irgendwelche Kompetenzen erhalten wird, ist völlig offen. Lediglich sieben Themenüberschriften wurden gestern zu Papier gebracht. Wie die Fragen Modernisierung der Arznei- und Heilmittelversorgung, Konzepte zur Stärkung der Prävention oder Zukunft der ambulanten Versorgung inhaltlich gefüllt werden könnten, soll möglicherweise im September erörtert werden.

Ulla Schmidt wird nicht von Eile getrieben. Die Teilnehmer des runden Tisches sollen sich mit ihren Vorschlägen für eine neue Gesundheitspolitik auf die Zeit nach der nächsten Bundestagswahl 2002 kaprizieren. „Kommunikation ist eine Chance dieses Gremiums“, so ein Schmidt-Mitarbeiter zur taz.

Auf alle Fälle profitiert Ulla Schmidt in ihrer Eigenschaft als Ministerin von dem Gremium. Nun muss sie nicht mehr länger bilaterale Verhandlungen mit quengelnden Ärzten, klammen Krankenkassen und nörgelnden Arzneimittelfirmen führen. Jetzt sitzen alle Beteiligten an einem Tisch und haben sich in ihren gegenseitigen Forderungen aufeinander zu beziehen.

Diese Taktik verschafft Schmidt politischen Spielraum. Möglicherweise lassen sich künftig eventuelle Misserfolge sozialisieren. Außerdem zeigt sie, dass ihr im Ansatz gelungen ist, was ihre Vorgängerin Andrea Fischer (Grüne) nicht zuwege brachte: die Ärzte zu Gesprächen zu bewegen. Auch wenn diese im Vorfeld des gestrigen Treffens abermals lautstark forderten, mehr Geld ins System zu pumpen. So einfach wird Gesundheitspolitik in Zukunft nicht zu machen sein.

Auch nicht, wenn es Ulla Schmidt bis zur nächsten Gesprächsrunde gelungen sein sollte, finanzielle Weichen zu stellen. Noch vor der Sommerpause soll ein Vorschaltgesetz verabschiedet werden. Unter anderem soll es einen Mindestbeitrag von 12,5 Prozentpunkten für die gesetzlichen Kassen verbindlich vorschreiben. Bislang liegen einige Betriebskrankenkassen unter diesem Satz. Ein wenig mehr Geld wird es also geben.

Für die Mitglieder aller Kassen hält das Vorschaltgesetz aber eine regelrechte andere Tücke bereit: Demnächst haben sie kein Sonderkündigungsrecht mehr, wenn ihre Kasse die Beiträge erhöht. Künftig kann man theoretisch zwar sechs Mal im Jahr wechseln. Anders als bisher muss man sich aber 18 Monate an die neue Kasse binden.

Diese gravierende Einschränkung aber wird am runden Tisch nicht besprochen. Dafür hat Ulla Schmidt mit dem luftigen Zeitplan geschickt gesorgt.

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