Fritten im Webspace

■ Viertklässler gehen online – und alles geht schief/Bremer Grundschulen vernetzen sich mit Frankreich und Bolivien

Mal eben 'ne Bifi online ordern, weil Erdkitsch so langweilig ist, nachgucken, was „voll krass“ auf englisch heißt und Lisa aus der 4c SMSsen, ob sie gleich mit Spaghetti-Eis futtern gehen will. Horrorvisionen für Bildungssenator Willi Lemke, jetzt aber machbar an den Grundschulen Landskronastraße und Grambker Heerstraße.

Die Kids, die noch nicht wissen sollen, was „ich bin drin“ eigentlich heißt, sind mittendrin – im Netz natürlich. Alle Klassen haben Rechner und Webcams online und funkvernetzt, mit E-Mail-Adressen für 7-Jährige und ihre Klassen. Picobello virtuelle Technik für Bremens Mini-Surfer, 200.000 Mark teuer.

Alles Teil des „Global Cities Dialogue“, eines multimedialen Schulprojekts mit der Grundschule Justin Oudin im französischen Issy-les-Moulineux, das Bildungssenator Lemke gestern nicht etwa eröffnete, sondern „offiziell launchte“. Schöne neue Welt!

Sergey hat sich 'ne Tüte Fritten von McDonalds neben sein Foto gepixelt, Yusuf das Gesicht knallgelb gefärbt, Harry angelt und Amrei und Amar haben ihr Portrait mehr so dadaistisch mit Kidpix, dem „CorelDraw“ für Kinder, verfremdet. Willkommen im Web-space der 4a! Hier können sich die Bremer Web-Jünger demnächst mit denen in Frankreich austauschen.

Und weil Computer doof sind, ging natürlich erst mal alles schief. „Seit halb neun waren wir hier am rotieren“, erzählt Otto Bothmann, Lemkes Regionalleiter Nord, der gestern ab 11 Uhr eine Videokonferenz mit den Franzosen auf die Beine stellen sollte. „Aber dann haben wir es immerhin geschafft, dass die Leute in Issy uns gesehen haben.“ Man muss sich das so vorstellen: Drüben in Issy eine virtuelle Schülermenge mit dem Bürgermeister, hier in Bremen drei Beamer mit Wackelbildern, eine Dame mit Headset, die dolmetschte, Willi Lemke, der Worte wie „Au revoir“ und „Merci“ in den Äther schickte. Und jede Menge Kinder, die das Web schön finden.

Anna erzählt, dass sie gerade im Netz „was über das Schwimmbad in Osterholz-Scharmbeck gemacht“ hat, Patrick hat online „am Sport“ gearbeitet“. Zum Schluss winken alle in die Webcams und Lemke hat Visionen: „Natürlich bin ich traurig, wenn wir nicht genug Musiklehrer haben. Aber mit unserem 20 Millionen Mark-Projekt sind wir bald bundesweit Spitze bei der Computerausstattung der Schulen“. Wenn man sehe, wie die „Viertklässler hier rangehen, brauchen wir bald keine Greencard mehr.“ Bremen würde sich seine Informatiker selber heranziehen.

Die Grundschulen sollen nicht die Einzigen bleiben, die ans Netz gehen. Bald gibt's in der Sekundarstufe I in der Schule an der Lerchenstraße Kontakte nach Bolivien. Weitere sollen folgen. Außerdem plant Bothmann, der Teamleiter Nord, den Kids mit „E-Learning“-Konzepten japanisch beizubringen: mit einem virtuellem Lehrer, wie Telekolleg für Junge.

Und damit die Web-Kids nicht auf verbotenen Hompages rumsurfen – etwa auf rechtsradikalen Seiten – gibt's auch „Policy Router“, die alles überwachen. Vielleicht sind das die wahren Lehrer der Zukunft. ksc