Krümmels Wirkung auf der Spur

■ Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin feierte 20. Geburtstag / Wie Forschung dem Menschen nutzt

Die Bremer essen gesünder. Ärzte erkennen an, dass Tranquilizer süchtig machen. Krebskranke im Endstadium bekommen in Bremen ausreichend Schmerzmittel. Und demnächst wird auch klar sein, welchen Einfluss das AKW Krümmel auf die Entstehung von Leukämie hat.

All das hat eines gemeinsam: Es hilft den Menschen, und es ist Leistung des BIPS, des Bremer Instituts für Präventionsforschung und Sozialmedizin. Das BIPS feierte gestern seinen 20. Geburtstag. Allein das sei schon „ein Ereignis per se“, fand Institutsdirektor Eberhard Greiser gestern am Rande einer Geburtstags-Tagung im Atlantic-Hotel Universum, „weil in den letzten Jahren viele Gesundheitsinstitute dichtmachen mussten.“

Das BIPS lebt von Drittmitteln, und die einzuwerben werde stetig schwieriger, so Greiser: „Wir werden ganz heftig kämpfen müssen.“ Denn im Moment fließen die Gelder in die Genforschung, Sozialmedizin scheint etwas out. Doch der Chef gibt sich optimistisch: Den Kampf ums Geld habe es von Anfang an gegeben.

Wegen zwei ungewollter Projekte an der Universität Düsseldorf verhandelte Greiser im Jahr 1980 mit Bremen. Die Bremer zeigten Interesse – das BIPS entstand. Heute hat es rund 60 MitarbeiterInnen. Seit 1998 gehört das BIPS zur Universität. Hier ist es Teil des Zentrums für Public Health, einer Kooperation von sechs Universitätsinstituten, denen es allen miteinander um die Wissenschaft und Praxis der Gesundheitsförderung – das ist die Definition von Public Health – geht.

Wissenschaftliche Erkenntnisse denen zugute kommen lassen, um die es geht, das ist das oberste Ziel des BIPS. Stationen auf dem Weg dorthin: Besagte Ernährungs-Kampagne, die nachweislich bewirkt hat, dass BremerInnen gesünder essen. Eine Studie zur Raucher-Entwöhnung im Jahr 1989, die bei Männern mehr Erfolg hatte als bei Frauen. Oder die „Auf-zum-Mond“-Aktion 1986, als es dem BIPS gelang, über Vereine die Menschen zum Laufen zu bringen.

Bremen gilt in Sachen Public Health inzwischen als Schwerpunkt, und das sei nicht zuletzt dem BIPS und seiner Arbeit zu verdanken, lobte gestern Annelie Keil, Dekanin des Fachbereichs Human- und Gesundheitswissenschaften an der Uni. Es gehe nicht zuletzt um den Versuch, „vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Ergebnisse Einfluss auf die Systemgestaltung im Gesundheitswesen zu nehmen“, so Keil. „Inwiefern hat Krankheit mit den sozialen Lebensverhältnissen, mit Migration, auch zunehmend mit sozialer Ungleichheit zu tun?“, umschrieb sie die Fragen, um die es im BIPS und im Zentrum für Public Health geht und gehen wird.

Zu den aktuellen Projekten des BIPS gehört die Führung des Bremer Krebsregisters, wo alle Krankheitsdaten anonymisiert gesammelt und ausgewertet werden. Aber der größte Brocken, den das Institut derzeit zu bewältigen hat, ist die „Norddeutsche Leukämie- und Lymphomstudie“ (NLL). In einem Gebiet rund um Hamburg wurden knapp 1.500 Patienten, die an Leukämie oder einem bösartigen Lymphom erkrankten, sowie doppelt so viele Vergleichspersonen nach ihrer Lebenssituation, nach Wohnung und Arbeit, nach lebenslangen Belastungen befragt. Anlass war das gehäufte Auftreten von Leukämie-Erkrankungen in der Nähe des Kernkraftwerks Krümmel. Im Herbst sollen die Ergebnisse vorliegen. sgi