„Wir sind besser als Real“

Der FC Bayern München erreicht das Finale der Champions League, was Manager Uli Hoeneß in seiner Ahnung bestärkt, dass die Mannschaft tatsächlich zu den Großen dieser Welt gehört

aus München THOMAS BECKER

Diesmal schien alles gut zu gehen. Konzentriert war er aus der Kabine gekommen, hatte dem ersten Sat.1-Ansturm locker getrotzt, souverän das Mittelfeld mit ARD und Antenne Bayern überbrückt. Doch als Uli Hoeneß, Manager des Champions-League-Finalisten Bayern München, auf seiner Interviewtour in den Katakomben des Olympiastadions bei den Zeitungsjournalisten angekommen war, da kippte die Stimmung doch noch.

In die Kameras hatte er zuvor von Owen Hargreaves schwärmen dürfen („Ich hoffe, dass alle jungen Spieler zugeschaut und gesehen haben, dass junge Spieler, wenn sie gut sind, beim FC Bayern durchaus eine Chance kriegen“), seine kontinuierliche Vereinsarbeit gelobt („Wir haben das Ziel erreicht, auf das wir das ganze Jahr hingearbeitet haben“) und vor dem Endspielgegner gewarnt („Viele Spieler haben den Sieg von Valencia gegen Leeds gesehen. Sie haben gesehen, wie gut die Fußball spielen können. Da gibt es gar keinen Grund, euphorisch zu sein“). Alles easy, entspannt, Hände in der Hosentasche. Bis diese Frage kam: „Ist dieser Sieg gegen Real Madrid eine Genugtuung für Sie? Es gab zuletzt ja auch Kritik an der Mannschaft.“ Bingo! Der Fragesteller hatte getroffen und die klassische Konditionierung, den Pawlow’schen Reflex des Uli Hoeneß, ausgelöst. Als würde man eine Wohnzimmerlampe anknipsen, wechselte der – pling – die Farbe ins gewohnt Puterrote: „Wer an der Klasse dieser Mannschaft zweifelt, hat keine Ahnung vom Fußball. Wir haben die zwei besten Mannschaften der Welt jeweils zweimal geschlagen. Das müssen Sie endlich mal begreifen: Wir sind besser als Real, besser als Manchester.“ Ausrufezeichen, Ausrufezeichen. !!!

Wenn sein FC Bayern kritisiert wird, reagiert Hoeneß, als hätte man ihm die Frau ausgespannt. Das Ergebnis, nach dem sich Puter-Uli mal nicht aufregen kann, gibt es nicht. Egal dann, dass sein Klub vorher nach tollem Spiel „die beste Mannschaft der Welt“ (Karl-Heinz Rummenigge) geschlagen hat und vor dem größten Triumph seit 25 Jahren steht. Zufrieden hatte Hoeneß noch das Feuerwerk nach dem Schlusspfiff angeschaut („Ich bin ja auch so eine Pyromane“), wie die 60.000 Fans auf der Videowand den visuellen Stadtbummel durch den Finalspielort Mailand mitgemacht, Celentanos „Azzurro“ gelauscht. Alles bestens. Bis zu dieser gemeinen Frage.

Egal, Hoeneß ist in dieser Hinsicht ja Kummer gewohnt. Dabei gab es ja wirklich genügend Anlass zur Freude, genau ein Jahr nach dem frustrierenden 2:1-Sieg gegen Madrid, der damals das Aus im Halbfinale bedeutet hatte. Aber daran wollte keiner mehr denken. Besonders eilig hatte es Rekonvaleszent Mehmet Scholl, der so ball- und dribbelgeil über den Rasen kreiselte, als hätte man ihn zuvor vier Wochen ohne Ball in die Umkleidekabine gesperrt. Schon nach acht Sekunden hätte er fast das 1:0 erzielt. Das übernahm dann Giovane Elber, auch noch nicht lange runter vom Operationstisch, mit seinem sechsten Champions-League-Treffer ein paar Minuten später. Der dritte Blitz-Genesene, Jens Jeremies, traf gegen die recht ratlosen Madrilenen zum 2:1 – eigentlich hatte der Bayern-Doc Real besiegt. „Ein dicker Kuss geht an Doktor Müller-Wohlfahrt“, jubelte Elber.

Harmonie herrschte auch in der Beurteilung des Kanadiers Hargreaves, der im zentralen Mittelfeld eine unverschämt ehrgeizige Partie spielte. Beckenbauer: „Wie kaltschnäuzig Hargreaves gegen so eine große Mannschaft wie Real gespielt hat – das hätte ich ihm fast nicht zugetraut.“ Rummenigge: „Das ist die Zukunft des FC Bayern.“

Die liegt, außer bei Hargreaves, auch in der endlich beschlossenen Aktiengesellschaft. Ausgerechnet als sich der Pesetenmann Figo hinter Hoeneß an den Journalisten vorbeischlich, hielt der Bayern-Manager sein ceterum censeo: „Ich habe heute nicht gesehen, dass ein Spieler, der 110 Millionen Mark kostet, viel mehr leistet als der, den wir aus Kanada geholt haben.Und ich bin ziemlich sicher, dass wir nicht eine Mark dieser AG-Gründung in Transfers stecken werden.“ Hat der FCB auch nicht nötig. Hoeneß: „Vor dem Spiel hat mich einer gefragt, wann der FC Bayern zu den Großen der Welt gehört. Da hab’ ich gesagt: Wir sind schon längst dabei.“