Faule Nummer für höheren Aktienkurs

Falsche Mitteilung, man habe eine „eigene Ortsnetzvorwahl“ erhalten, trieb den Kurs der Web.de-Aktie nach oben

BERLIN taz ■ Die Meldung war gut für den Aktienkurs: Um 20 Prozent schoss die Notierung der Web.de AG aufwärts, nachdem die Karlsruher Firma am Montag mitgeteilt hatte, sie habe eine eigene Ortsnetzkennzahl erhalten. Doch nicht alles wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird: Weder handelt es sich um eine wirkliche Ortsnetzvorwahl noch um die erste Vergabe einer Vorwahl für „innovative Dienste“.

„Die Web.de AG hat als erstes Internet-Unternehmen in Deutschland von der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) eine eigene Ortsnetzkennzahl erhalten. Mit Zuteilung der 0 12 12 entsteht ein eigenes Ortsnetz für die Web.de-Anwender, vergleichbar mit einer Vorwahl wie 089 für München“, feiert sich das Internet-Portal. Damit teile man jedem Kunden eine lebenslange Fax- und Telefonnummer zu.

Doch die Regulierungsbehörde konnte sich Widerspruch nicht verkneifen: „Rufnummern, die mit 01 beginnen, sind als Sondernummern ausgewiesen“, sagt Sprecher Werner Hugentobler. Die Einordnung hat für Anrufer und Fax-Sender handfeste Auswirkungen: Die Verbindung zu einer Web.de-Nummer wird zu den teuren Tarifen für Sondernummern abgerechnet (siehe auch taz vom 30. 4. 2001), Call-by-Call ist nicht möglich. Wohl nicht umsonst kündigte Web.de an, mit der 0 12 12 „margenstarke Einnahmen aus dem Bereich Telekommunikation“ erzielen zu wollen. Vorerst geht das nur eingeschränkt: Von Anschlüssen privater Netzbetreiber und aus vielen Mobilfunknetzen sind 012-Nummern nicht erreichbar.

Die „lebenslange Rufnummer“ trifft auf weitere Kritikpunkte: Bei den „persönlichen Rufnummern“ mit der Vorwahl 0700, die die RegTP vergibt, sei der Kunde nicht an eine Telefonfirma gebunden, betont Hugentobler. Wer aber den Vertrag mit Web.de kündigt, ist seine „lebenslange Nummer“ los. Web.de setzt dagegen, man werde den Kunden die einmal vergebenen Nummern nicht wieder entziehen – kann aber gegen das Argument der juristischen Unsicherheit der Nummer und des Verlusts bei Anbieterwechsel nichts anführen.

Etwas stärker – und kreativer – die Verteidigung der Aussage, man sei „erster“ Anbieter: Die anderen seien keine Internet-, sondern Telekommunikationsunternehmen. Die Kreativität des Internet-Unternehmens beschäftigt jetzt auf jeden Fall erst einmal das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel.

MATTHIAS SPITTMANN