Rot-grüne Lauscher

Bundestag erleichert den Lauschangriff im G-10-Gesetz. Die Grünen halten sich aber zugute, die Kontrolle der Geheimdienste verbessert zu haben

von SEVERIN WEILAND

Christian Ströbele versuchte, was gemeinhin jemand versucht, der sich anderes wünscht, aber die Regierungkoalition nicht gefährden will. Natürlich beiße sich das jetzige G-10-Gesetz mit „bündnisgrünen Grundvorstellungen“. Die Novelle zur Fernmeldeüberwachung, die gestern im Bundestag verabschiedet wurde und noch der Zustimmung des Bundesrates bedarf, sei jedoch in wesentlichen Punkten verbessert worden, glaubt Ströbele, der zum linken Flügel der Grünen gehört.

In zwei Jahren soll das Gesetz erneut begutachtet werden , wenn die Bundesregierung einen Zwischenbericht vorlegt. Überarbeitet werden musste das G-10-Gesetz, nachdem das Bundesverfassungsgericht vor zwei Jahren einzelne Punkte zur strategischen Fernmeldeüberwachung des BND moniert hatte. Die Richter setzten zugleich fest, dass die Neuregelung bis zum 30. Juni 2001 zu erfolgen hat. Daraufhin unterzogen SPD und Grüne das Gesetz einer gründlichen Revision.

In den letzten Tagen hatten vor allem PDS und FDP das Fehlen einer Anhörung kritisiert. Die Grünen seien dafür gewesen, doch habe die SPD auf Wunsch des Kabinetts die Frist einhalten wollen, meinte Ströbele. Im Vorfeld hatte bereits die Humanistische Union, eine der ältesten Bürgerrechtsorgansiationen, den Regierungsparteien vorgehalten, die Befugnisse der Geheimdienste über die Maßen ausgedehnt zu haben. Nun sei der BND neben der Überwachung des Satellitenfunks auch für den kabelgebundenen Fernmeldeverkehr zuständig.

Hier habe man, da der Satellitenfunkverkehr zurückgehe, das Gesetz an neue Techniken angepasst, erklärte Ströbele. Zudem sei der Nutzen von Erkenntnisse aus Abhöraktionen für Ermittlungsverfahren gering.

Bei der Überarbeitung wurden auch die Befugnisse des Verfassungsschutzes erweitert. Mit Verweis auf die rechtsextreme Szene kam der Straftatbestand der Volksverhetzung (§ 130 StGB) in den Abhörkatalog. Die Aufnahme war bei den Grünen umstritten. Doch riskiere er „nicht den Koalitionsbruch“, um Volksverhetzern die Möglichkeit zu geben, aus dem In- oder Ausland per Internet ihre Botschaften zu übermitteln, so Ströbele.

Gelauscht werden kann im Falle des § 130 StGB nun, wenn der Verdacht einer „Störung des öffentlichen Friedens“ zugrunde liegt. Auch bei anderen Verdachtsmomenten darf künftig vom Verfassungsschutz mitgehört werden – etwa beim „gefährlichen Eingriff in den Bahnverkehr“ oder der „Störung öffentlicher Betriebe“, allesamt Hinweise für Lauschaktionen gegen Castor- und AKW-Gegner.

Hinzu kommt: Abgehört werden können jetzt auch Einzelpersonen – und nicht mehr nur Mitglieder mutmaßlicher „terroristischer Vereinigungen“ (ab drei Personen).

Eine gewisse Einschränkung gilt jedoch: Die Straftaten müssen sich „gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten“.

Zugute halten sich die Grünen, dass die Nutzung von Abhörmaterial im derzeit laufenden Verbotsverfahren gegen die NPD nicht zum Zuge kommt, obwohl das Gesetz dies ebenfalls ermöglicht. Positiv sei auch die Erweiterung der Kontrollmöglichkeiten der G-10-Kommission. Sie erhält Einsicht zu allen Überwachungsvorgängen, Zutritt zu Diensträumen und Computern der Dienste.

In den Fällen, in denen die Dienste fünf Jahre nach der Lauschaktion die Betroffenen nicht informieren wollen (etwa aus Gründen des Quellenschutzes), muss die Kommission ihre Zusage einstimmig fällen.