Anschaffen auf Steuerkarte

Ein Bordellbesitzer: „Jetzt zahle ich Schutzgelder an Polizei und Mafia. Mit einer Legalisierung des Gewerbes kann ich mir das Geld für die Polizei sparen“

von LILLI BRAND
und HELMUT HÖGE

Im Bordell „Feeling“ in Berlin-Schöneberg arbeitet die Russin Tanja, sie sagt: „Das Gesetz ist ganz klar gegen uns!“ Und meint damit, dass es die ausländischen Frauen, „die es sowieso schon schwer genug haben“, noch mehr benachteilige. Gestern debattierte der Bundestag zum ersten Mal über ein Gesetz, mit dem das Geschäft der Huren ausdrücklich legalisiert werden soll. Aber was bedeutet das Gesetz für ausländische Huren?

In Berlin, so schätzt man, sind von den rund 6.000 Prostituierten höchstens 25 Prozent Deutsche, alle anderen sind Ausländerinnen mit unterschiedlichem Status. In der Regel sind sie mit einem 3-Monats-Touristenvisum gekommen. Wenn sie damit in einem Bordell arbeitend erwischt werden, droht ihnen die Abschiebung. Deswegen bemühen sich viele Frauen schnell um eine Scheinehe, die ihnen eine dreijährige Aufenthaltserlaubnis sowie eine unbefristete Arbeitserlaubnis sichert – jedoch jede „selbstständige Tätigkeit“ zunächst verbietet.

Frauen müssten mehr verdienen

Bisher war die Arbeit als Prostituierte nur als selbstständige Tätigkeit möglich, weil kein Bordellbesitzer einen Arbeitsvertrag mit den Frauen abschließen durfte. Nach dem geplanten Gesetz ist das zwar theoretisch möglich, aber praktisch, gibt ein Charlottenburger Bordellwirt zu bedenken: „Bei einer Festanstellung bräuchte ich ein richtiges Lohnbüro, und die Frauen wären so oder so, auch als Freiberufliche, gezwungen, noch mehr zu verdienen: für ihre Sozialabgaben und für die Steuern.“

Mit der Legalisierung der Prostitution könnte somit das eintreten, was bei den anderen Branchen bereits der Fall ist: Die Schwarzarbeit erweist sich als lukrativer. Der Bordellwirt sieht aber auch etwas Positives an dem Gesetzentwurf: „Jetzt zahle ich Schutzgelder an die Polizei und an die Mafia. In Berlin gibt es drei große Mafiagruppen – die arabische, jugoslawisch-russische und türkische. Mit der Legalisierung des Gewerbes spare ich nicht nur das Geld für die Polizei, sondern kann sie auch noch anrufen, wenn mein Laden oder meine Mädchen bedroht werden. Aber ob ich das jemals tun werde, da bin ich mir nicht sicher. Eine Restaurantbesitzerin in der Grolmannstraße hat mal Polizeischutz bekommen, die haben sogar ihr Kind zur Schule gebracht, und irgendwann gaben die Schutzgelderpresser auf. Aber ich kann mir doch keine Polizisten vor die Bar stellen, dann kommen schlicht keine Kunden mehr.“

Dass bei allem Hang zur Deregulierung jetzt ausgerechnet das Bordellgewerbe reguliert werden soll, mutet in der Tat seltsam an. Dennoch finden sich in einem Neuköllner Bordell mehrere ausländische Prostituierte, die sich zumindestens langfristig etwas davon versprechen. So meint etwa die Ukrainerin Helena: „Ich bin illegal hier, werde aber demnächst heiraten und dann eine Arbeitserlaubnis bekommen. So Gott will. Damit kann ich aber mit meinen beschränkten Sprachkenntnissen bestimmt nirgendwo anders arbeiten als in einem Puff. Deswegen begrüße ich es, dass diese Tätigkeit jetzt legalisiert wird, schon allein um meine Nerven zu schonen und um endlich keinen Ärger mit den Behörden mehr zu haben.“

Auch ihre Kollegin Anja aus Litauen begrüßt die mit dem Gesetz mögliche Statusverbesserung der Huren: „Vielleicht wirkt das unserer Diskriminierung entgegen. Also, dass die Arbeit in einer Bar irgendwann genauso anerkannt ist wie jede andere Tätigkeit. Das wünsche ich mir jedenfalls.“

Das Zwielichtige des Nebenerwerbs

Von einer „Riesensauerei“ spricht dagegen die thailändische Prostituierte und Bordellbesitzerin Oy im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg: „Sieh mal, die deutschen Prostituierten, das sind alles Arbeitslose oder Sozialhilfeempfänger, Studentinnen oder Hausfrauen, die sich nebenbei noch etwas dazuverdienen. Damit sie nach Ibiza fliegen oder sich sonstwas leisten können. Die brauchen dieses Gesetz nicht, viele wollen es auch nicht, weil sie das Zwanglose, das Verruchte und Zwielichtige ihres Nebenerwerbs genießen.“

In den Eros-Centern im Berliner Osten nähmen die deutschen Frauen schon jetzt den doppelten Preis, weiß Oy. „Die gehen da freiwillig rein! Im Gegensatz zu den Thailänderinnen, Polinnen, Afrikanerinnen, Mongolinnen und Russinnen, die das gezwungenermaßen tun, weil es für sie die einzige Möglichkeit ist, hier Geld zu verdienen. Die müssen ja meist auch noch ihre Schlepper abbezahlen.“ Und denen werde das neue Gesetz das Leben noch schwerer machen, meint Oy, indem es die Legalen von den Illegalen abspalte und letztere dadurch noch mehr Repressionen auf sich zögen als jetzt schon. „Das mag ja alles ganz edel von dieser rot-grünen Ministerin gedacht sein. Aber heraus kommt, wie so oft, das Gegenteil. Was ist das überhaupt für eine Frau?“

Wir erzählen Oy, dass es sich bei der Frauenministerin Christine Bergmann (SPD) um die einstmals schönste Kirchenchorsängerin von Jena handelt. „So etwas Ähnliches habe ich mir schon gedacht“, so ihr Kommentar.

Hurensprecherin Juanita Henning aus Frankfurt am Main, die eine „Green Card“ für alle ausländischen Prostituierten fordert, sieht das Problem ähnlich: Sollten Bordellbetreiber, wie jetzt bereits, eine Aufenthaltserlaubnis von den ausländischen Prostituierten verlangen und später auch noch eine Arbeitserlaubnis, dann bewirke das lediglich, dass die meisten Frauen „in weniger überschaubare Strukturen abgedrängt werden, wo sie noch gefährdeter sind“.