Türkei erfüllt IWF-Bedingungen

Die Regierung verabschiedet ein neues Bankengesetz und privatisiert die türkische Telekom. Heftige Auseinandersetzungen zwischen Wirtschaftsminister Derviș und den Koalitionspartnern. Vizeregierungschef Devlet Bahçeli (MHP) droht mit Rücktritt

aus Istanbul JÜRGEN GOTTSCHLICH

Nach heftigen Auseinandersetzungen hat das türkische Parlament am Samstag ein Gesetz zur Privatisierung der türkischen Telekom verabschiedet. Am Tag zuvor war bereits ein neues Bankengesetz durchs Parlament gegangen. Beide Gesetze gelten als Voraussetzung, damit der Internationale Währungsfonds (IWF) in seiner Sitzung am kommenden Dienstag ein bereits zugesagtes Hilfspaket in Höhe von 10 Milliarden Dollar bestätigt.

Nachdem es in der letzten Woche zwischen Wirtschafts- und Finanzminister Kemal Derviș, der die Verhandlungen mit dem IWF und der Weltbank führt, und den beiden Koalitionspartnern MHP und Anap mehrfach zu heftigen Auseinandersetzungen gekommen war, die eine Verabschiedung des Gesetzes verzögerten, musste das Parlament am Samstag extra zu einer Sondersitzung zusammentreten, um das Telekomgesetz noch termingerecht zu verabschieden. Derviș wies am Freitag Spekulationen zurück, er wolle von seinem Amt zurücktreten, nachdem ein Parlamentsausschuss wesentliche Passagen des Gesetzes verändert hatte.

Während der parteilose Kemal Derviș, den Ministerpräsident Bülent Ecevit Ende Februar von der Weltbank nach Ankara geholt hatte, bei der Bankenreform vor allem auf den Widerstand von Anap-Chef Mesut Yilmaz stieß, stellten sich bei der Telekom die Ultranationalisten von der MHP und das Militär quer. Sowohl für die MHP als auch für das Militär ist die Vorstellung, die türkische Telekom könnte von ausländischem Kapital übernommen werden, völlig unakzeptabel. Während das Militär darin vor allem ein Sicherheitsrisiko sieht, weil etliche Leitungen der Telekom auch militärisch genutzt werden (die Netze zu entflechten, soll rund eine Milliarde Dollar kosten), treibt die MHP die Angst um, sie würde den profitabelsten Staatsbetrieb verlieren. Der Konflikt ging so weit, dass MHP-Chef Devlet Bahceli Derviș vorwarf, er arbeite wie ein IWF-Agent, und deshalb damit drohte, die Koalition zu verlassen. Die MHP wolle sich nicht am Ausverkauf des Vaterlands beteiligen.

Das Ergebnis ist nun ein Kompromiss, der niemanden glücklich macht, aber formal den IWF zufrieden stellt. Das Gesetz sieht, anders als ursprünglich geplant, vor, dass nur maximal 45 Prozent der Telekom-Anteile in ausländischen Besitz gelangen dürfen und der Staat sich darüberhinaus eine Sperrminorität (die so genannte goldene Aktie) vorbehält. Bei der Bankenreform, die für den Umbau der türkischen Wirtschaft langfristig weit wichtiger ist als der Verkauf des „Tafelsilbers“, geht es seit Monaten darum, wie der Einfluss der Parteien auf die staatlichen Banken eingeschränkt werden kann. Mit seiner ursprünglichen Forderung, die großen staatlichen Banken ebenfalls zu privatisieren, konnte sich Derviș bislang nicht durchsetzen. Auch eine Fusion der drei größten Staatsbanken, die immerhin dazu geführt hätte, dass nicht mehr jede Regierungspartei über ihre Bank verfügt, ist noch nicht beschlossen. Stattdessen soll nun die Bankenaufsicht verbessert werden, indem unabhängige Banker in einen neu zu schaffenden Aufsichtsrat berufen werden und der Staat per Gesetz erst einmal befugt wird, die Verluste der Staatsbanken aus Steuern zu begleichen. Wirklich verschärft wird die Aufsicht für kleine Privatbanken, die in der Vergangenheit mehrmals von ihren Besitzern regelrecht geplündert worden waren. Im Anschluss daran hatten sie die Verluste sozialisiert, weil der Staat für die Einlagen geradestand.