berliner szenen
: Heimatgefühle

Militär-Biskuits

Es war von Anfang an klar. Im Postskriptum der offiziellen Mitteilung über die Eröffnungsfeierlichkeiten der schweizerischen Botschaft warnte die Pressestelle: „Eine Verpflegung für die Medienvertreter ist nicht vorgesehen.“ Dennoch: Wenn die Diplomatie ihre Grenze zeigt, muss die Armee ran. Nicht nur mit der „Swiss Army Big Band“, die auf einer kleinen Bühne für das zahlreiche Publikum spielte, sondern auch mit den jedem männlichen Schweizer Milizbürger schmerzhaft bekannten „Militär-Biskuits“. Eine Art Grundnahrung, die alle anderen Argumente für eine Wehrplichtverweigerung weit hinter sich lässt und die ich schon als Kind kennen gelernt hatte, da wir sie oft von Soldaten geschenkt bekamen.

Als ich am Samstag nach so vielen Jahren in einen trockenen Biskuit biss, wurde es mir klar. Heimatgefühle haben mit der Proust’schen mémoire involontaire etwas gemeinsam: Sie tauchen unerwartet und immer mittels Backware auf. Ein Biss reichte, und schon sah ich vor mir die Berge und hörte den sehnsüchtigen Gesang von Alphörnern. Das war kein Traum. Tatsächlich begann eine Gruppe von Alphornbläsern einige Meter weiter zu spielen, direkt vor dem neuen Kanzleramt. Und das monumentale Gebäude von Axel Schultes hatte ich mit der 4.158 Meter hohen Jungfrau verwechselt. YVES ROSSET