„Wie, äh, wär’s, äh, denn?“

Von Barbra zu Boris: Anmachsprüche im Wandel der Zeiten – und warum sie eh nicht funktionieren

 AB SOFORT AN DIESER STELLE: die neuen taz-Kolumnen. Sex, Fernsehen, Gerüchte, Kinder, Kaufen, Schicksale, Styling, Schröder, Charts. Bildender als ein Friseurbesuch. Montags zu.

Der Satz, mit dem Barbra Streisand in „Is’ was, Doc?“ Ryan O’Neal anspricht, lautet: „Wir sollten aufhören, uns hier zu treffen.“ Und er wird für immer und ewig auf den vorderen Plätzen meiner All-time-favourite-Anmachlines (in Bars und Discotheken) rangieren. Persönlich habe ich zwar nicht die besten Erfahrungen mit ihm gemacht (eher verwirrte Reaktionen bei den Auserwählten), aber trotzdem. Weiterhin in den Top 10: „Auch hier?“, „Sag mal, kennst du mich nicht irgendwoher?“, (streift allerdings die zarte Grenze zwischen forsch und nassforsch) und der Klassiker: ein Getränk ausgeben oder ausgegeben bekommen „mit vielen Grüßen von der Dame/dem Herrn dort drüben“. Wobei ich wirklich (nicht für mich natürlich, sondern aus Prinzip) wissen möchte, ob diese Art der Kontaktaufnahme auch für AbstinenzlerInnen funktioniert: „Dieses Glas frisch gepresster Möhrensaft kommt von dem Herrn dort drüben.“ Das hat ohne Zweifel viel Stil. Passiert aber ganz sicher fast nur im Film. Das richtige Leben sieht anders aus: Den schlimmen Satz „Was warst’n du früher?“ habe ich neulich in einem der raren, schlagfertigen Momente mit „Ein Mann“ gekontert, den Fragesteller von „Kommst du auch aus Berlin?“ hat eine Freundin erfolgreich mit „Ja, nicht so wie du!“ abgewiegelt.

Ob Anmachlines wirklich eine Möglichkeit darstellen, jemanden Fremdes schnell von sich zu überzeugen? Nein. Ob sich die trotzdem nicht totzukriegende Spezies im Laufe der Zeit verändert hat? Ja: „Näh dir doch’n Knopf an die Backe!“, sagte man in den 50ern (wo meine Recherchen anfingen, weil davor andere Dinge zählten) als Replik auf das altbackene „Wie wär’s denn mit uns beiden?“, und galt damit als ziemlich frech (bzw. als flotte Biene), in den 60ern war es schon sehr modern und persönlich, wenn man sich nur duzte, und in den 70ern zog und reichte hin und wieder sogar „Magst du tanzen?“. Von den 80ern hab ich komplett alles verdrängt. Vermutlich stampften Human Leage ihr „Don’t you want me, baby?“ in den meisten Discotheken eh zu laut, um etwas zu verstehen. Oder ich konnte vor Kajalstift nichts sehen.

Die 90er mit ihrem erstarkten Individualismus-Terror und dem komplett durchkapitalisierten Verkauf der Jugendkultur brachten ein neues Motto in die Versuche nach erfolgreicher Zwischenmenschlichkeit: „Jeder ist einfach anders“ (und damit natürlich wieder gleich) oder, wie es das weise Monty-Python-Sextett bereits 1980 in „Das Leben des Brian“ vorwegnahm: „Ihr seid alle Individualisten!“ – „Wir sind alle Individualisten!“ – „Ich nicht!“

So unterschiedlich wie die Jugendstile und gleichsam so beliebig waren auch die Anmachlines in den letzten 10 Jahren. Nicht nur bei uns Unauffällig-in-Kneipen-Wartenden, sondern auch bei der Prominenz.

Der Medien Lieblingspaar Babs-Bobs hatte sich zu Anfang laut Boris eigentlich gar nichts zu sagen, er war zu schüchtern und sie erst recht. Da muss man entweder auf seine Wirkung als schönes Ding (sie) oder als Millionär (er) vertrauen. Basketballprofi Dennis Rodman pflegt zwar hin und wieder erfolgreich Frauen anzumachen, kann sich aber nie daran erinnern, bis er verheiratet in Las-Vegas-Hotelbetten aufwacht. Was schade ist: scheint ja zu funktionieren, was der Mann macht.

Dass sich heutzutage eine Menge Menschen über das Internet kennen lernen, ist ebenfalls schwer vorstellbar. Die Vorteile seien, so beschreiben es die virtuellen FlirterInnen, dass man sich seinen ersten Satz reiflicher überlegen könne und man vor allem im Netz viel gerechtere und bessere Chancen habe, weil es nicht um Oberflächlichkeiten wie Erscheinung und Ausstrahlung ginge.

Meine einzigen Chat-Flirt-Erfahrungen beziehen sich auf eine Partie Mühle, die ich mal (per Standleitung) mit einem US-amerikanischen Krankenpfleger spielte, bei mir war es abends, das heißt ich war in Flirtlaune, und er hatte gerade seine Schicht begonnen.

Hier ist das Protokoll:

„jenni joins game.“

„bigjake joins game.“

„jenni: hello bigjake.“

„bigjake: hello jenni.“ (Beide spielen.)

„bigjake: what’s your profession?“

„jenni: I’m a rocket-scientist.“

„bigjake: Oh really? I’m a male nurse. Do you like Emergency Room?“

„jenni: Yep, I’m fond of George Clooney, you resemble him?“

„bigjake: I look more like Dr. Romano.“

„jenni quits game.“

Die Konklusion ist, dass es im wirklichen Leben keinen funktionierenden Anmachspruch gibt, ja nie gab. Dass sich um mich herum trotzdem hin und wieder fremde Menschen kennen lernen, gibt mir jedoch zu denken. Aber ich werde nicht aufhören, dieses Phänomen zu erforschen.

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