Rechtswidrige Festnahmen

Neue Vorwürfe: Beamte sollen am 1. Mai Festbesucher auf dem Mariannenplatzohne Angabe von Gründen festgenommen haben. Polizei verweigert Stellungnahme

Die Polizei steht im Verdacht, am 1. Mai in Kreuzberg Besucher des Festes auf dem Mariannenplatz rechtswidrig festgenommen zu haben. Nach Informationen des Tagesspiegel sollen mehr als 50 Personen, die am nördlichen Ende des Platzes eingekesselt worden waren, ohne Angabe von Gründen in die Gefangenensammelstelle in Tempelhof gebracht worden sein. Eine Gewahrsamnahme ohne Begründung kommt einer Freiheitsberaubung gleich.

Die Polizei verweigerte gestern zu den Vorwürfen jegliche Stellungnahme. „Wir kommentieren das nicht“, lautete dazu die Antwort der Polizeipressestelle.

Eigentlich muss die Polizei für jeden Festgenommenen ein Formular ausfüllen und in diesem den Grund der Festnahme angeben. Anhand dieses Formulars wird auf der Gefangenensammelstelle später über eine Entlassung oder Vorführung vor einen Richter entschieden. Bei mindestens 50 Personen klaffte in dem Formular an der entsprechenden Stelle aber eine Loch, weil die Beamten offenbar selbst nicht wussten, was den Betreffenden vorzuwerfen ist, berichtete das Blatt gestern.

Nach Rücksprache mit dem Leiter der für Kreuzberg und Neukölln zuständigen Direktion 5, Klaus Karau, sei als Begründung später in der Gefangenensammelstelle nachgetragen worden: „Laut Weisung des Leiters der Direktion 5“. Eine solche „Lex Karau specialis“ ist aber weder durch die Strafprozessordnung noch durch das Polizeigesetz gedeckt. Untergebene sollen Karau auf die Rechtswidrigkeit des Handels hingewiesen haben. Doch der Direktionsleiter habe sich erst gegen 23 Uhr von einem Führungsbeamten der Sammelstelle von dem Vorgehen abbringen lassen. Nunmehr seien an die Formulare umfangreiche Zusatzerklärungen geheftet worden, um die Leute weiter festhalten zu können.

Die Polizei hat am 1. Mai insgesamt 616 Personen festgenommen, deutlich mehr als in den Vorjahren. Für Innensenator Eckart Werthebach (CDU) war dies ein Zeichen seines Erfolgs.

PLUTONIA PLARRE