Schwarzfahren bis in den Knast

Jede Woche wandern etwa 300 Verurteilte ins Gefängnis, weil sie ihre Geldstrafen nicht zahlen können oder wollen. Wer nicht freiwillig kommt, dem droht ein Haftbefehl

Wer nicht zahlen will, muss fühlen. Die Französin Frédérique D. wurde 1999 dreimal beim Schwarzfahren erwischt. Weil die 35-Jährige, die in Berlin Germanistik und Geschichte studiert hat und sich mit Nachhilfeunterricht mehr recht als schlecht über Wasser hielt, kein Geld hatte, bezahlte sie die Strafen von jeweils 60 Mark nicht. Nach kurzer Zeit hatten sich die Strafgelder samt Bearbeitungskosten auf knapp 500 Mark erhöht – eine unerschwingliche Summe für Frédérique D.

Sie bat die Staatsanwaltschaft zunächst um eine Stundung. Diese wurde ihr gewährt – bis zum September vergangenen Jahres. Den Antrag auf eine weitere Stundung begründete sie damit, dass sie sich „in der letzten und intensivsten Arbeitsphase“ ihrer Promotion befinde und deshalb nicht nebenher noch jobben könne. „Ich bitte Sie höflichst darum, mir noch einmal mit einer Stundung entgegenzukommen. Das ist lebenswichtig“, schrieb sie. Umsonst. Als Alternative wurde ihr angeboten, die Strafe mit gemeinnütziger Beschäftigung in einer sozialen Einrichtung abzuarbeiten.

Weil Frédérique D. dieses Angebot nicht annahm und die Zeit einfach verstreichen ließ, flatterte ihr jetzt eine Aufforderung zum Haftantritt ins Haus. Wegen des Erschleichens von Leistungen in drei Fällen muss sie 15 Tage im offenen Frauenvollzug verbringen. „Sollten Sie sich nicht rechtzeitig einfinden, so muss gegen Sie ein Haftbefehl erlassen werden“, endet das Schreiben.

Trotz des Angebots, Geldstrafen zur Vermeidung von Haftstrafen und zur Entlastung der meist überbelegten offenen und geschlossenen Haftanstalten abzuarbeiten, verlassen wöchentlich im Schnitt zwischen 270 und 310 Ladungen zum Strafantritt das Büro der Hauptabteilung Vollstreckung der Staatsanwaltschaft.

Die Zahlen sind in den vergangenen Jahren etwa gleich bleibend hoch geblieben. Die Delikte, für die Geldstrafen verhängt werden können, reichen von Diebstahl über Betrug und Körperverletzung bis hin zu fahrlässiger Tötung, die mit einer Freiheits- oder auch Geldstrafe sanktioniert werden kann. Meistens kommen die Verurteilten in den offenen Vollzug, das heißt, die Inhaftierten müssen in der Regel nur die Nacht im Gefängnis verbringen.

Geldstrafen werden immer in Tagessätzen – mindestens 5 bis zu maximal 360 Tagessätze – verhängt. Die Höhe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters. In der Regel wird vom Nettoeinkommen ausgegangen, das der Täter durchschnittlich an einem Tag hat oder haben könnte. Die Untergrenze liegt hierbei bei 2, die Obergrenze bei 10.000 Mark.

Nach Angaben der Justizpressestelle kommen die meisten Nichtzahler der Aufforderung zum Haftantritt freiwillig nach. „Vor einem Haftbefehl haben die meisten Respekt“, so eine Justizsprecherin. B. BOLLWAHN
DE PAEZ CASANOVA