Mit Kohl unter vier Augen

Exkanzler kann sich an Gespräch mit Elf-Manager nicht erinnern

aus Berlin SEVERIN WEILAND

Dem Exkanzler hatte die Meldung offenkundig nicht die Laune verdorben. Knapp eine Stunde nachdem die Berliner Zeitung am Dienstagabend neue Details aus dem Leuna-Verkauf verbreitet hatte, sah man Helmut Kohl entspannt zur „Ständigen Vertretung“ schreiten. In dem voll besetzten Lokal, einem vornehmlich von rheinischen Bundestagsabgeordneten und westdeutschen Touristen aufgesuchten Refugium in Berlins Mitte, fühlte sich der Pfälzer sichtlich wohl. Hier gab es keine bösen Fragen, sondern nur respektvolles Interesse.

Knapp zwölf Stunden später musste sich Kohls Büro wieder mit den unerfreulichen Dingen des Alltags beschäftigen: Man schrieb an einer Verteidigungserklärung. Zum ersten Mal seit Beginn der Leuna-Affäre, in der es um mögliche Schmiergeldzahlungen im Zusammenhang mit dem Verkauf der Minol-Raffinerie geht, wird Kohls Glaubwürdigkeit durch die Aussagen eines Spitzenmanagers in Zweifel gezogen. Kohl habe sich direkt in die Verhandlungen eingeschaltet: Das behauptet Loïk Le Floch-Prigent – der Chef des französischen Elf-Konzerns, der die Raffinerie samt DDR-Tankstellennetz 1992 übernahm.

Ob es dazu wirklich kam, bleibt auch nach Kohls gestriger Erklärung offen. „Nach der Erinnerung von Dr. Kohl“ habe ein Treffen mit Le Floch-Prigent „nicht stattgefunden“, heißt es aus dem Büro des Exkanzlers. In jedem Fall dürfe man die Frage, ob es ein solches Gespräch gegeben habe, nicht als „Hinweis auf kriminelle Absprachen“ interpretieren.

Überhöhte Subventionen

Dass Kohl den Verkauf der maroden Anlage wünschte, daran hat er nie einen Zweifel gelassen. Doch habe er, erklärte er vor einem Jahr im Spendenausschuss, lediglich politische Unterstützung zugesagt, die Abwicklung des Geschäfts sei Aufgabe der Treuhand gewesen. Mit Elf Aquitaine, dem Staatskonzern aus Frankreich, war nach langwierigen Verhandlungen ein potenter Käufer gefunden – allerdings erst, nachdem erhebliche Subventionszahlungen zugesichert worden waren. Dabei soll Elf Aquitaine die Bewertung des Projekts zu hoch angesetzt haben, um entsprechend großzügigere Beihilfen zu erhalten – so jedenfalls der Verdacht, der in Gutachten für Treuhand und EU-Kommission geäußert wurde.

Seitdem in Frankreich führende Manager in Korruptionsverdacht geraten sind, kursieren Gerüchte, das durch staatliche Beihilfen abgestützte Geschäft sei mit einer Großspende für die CDU verbunden gewesen. Hinweise mag die gestern bekannt gewordene Aussage Le Floch-Prigents liefern, die der Manager am 22. August vergangenen Jahres gegenüber der französischen Staatsanwaltschaft abgegeben hatte. Danach ist es vor dem Verkauf der Leuna-Raffinerie am 10. Juli 1992 zu einem Vier-Augen-Gespräch mit Kohl gekommen, möglicherweise im Beisein eines Dolmetschers. Im Bonner Kanzleramt habe Kohl ihm versprochen, dass Elf Aquitane die beantragten Subventionen erhalten werde.

Zudem versicherte Le Floch-Prigent gegenüber der Staatsanwaltschaft, dass mit Wissen des damaligen Staatspräsidenten François Mitterrand „Lobbying“-Beträge vom Konzern flossen. Die Empfänger von rund 80 Millionen Mark seien ihm allerdings unbekannt, zitiert ihn die Berliner Zeitung.

Ansprüche von der CDU

Ein weiterer Exmanager, André Tarallo, hatte bereits am 2. August 2000 vor der Staatsanwaltschaft in Paris eine ähnliche Aussage gemacht: Mit den 80 Millionen Mark seien „Ansprüche von deutschen politischen Behörden“ beglichen worden. Die Empfänger kenne er nicht, soweit er aber verstanden habe, „kamen diese Ansprüche von der CDU“.

Was die Berliner Zeitung gestern in Auszügen publizierte, ist dem Untersuchungsauschuss intern bereits bekannt. Die als vertraulich eingestuften Vernehmungsprotokolle der Pariser Behörden wurden vor einigen Wochen von der Saarbrücker Staatsanwaltschaft an die Obleute übermittelt. Je eine Ladung Ordner für jede Fraktion.

Für den Obmann der Grünen, Christian Ströbele, erhärtet sich nach der „spannenden Lektüre“ der Verdacht, „dass die so genannten Lobbying-Zahlungen nicht nur an ehemalige Mitglieder der früheren Bundesregierung, sondern auch an die CDU geflossen sind“. Der SPD-Obmann Frank Hofmann nannte es interessant, dass der Abfluss der Gelder vom Konto offenbar in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu Kohls Treffen mit Le Floch-Prigent stehe.

Dass die Aussagen Le Floch-Prigents ausgerechnet gestern veröffentlicht wurden, dürfte kein Zufall sein. Heute Vormittag wird die Saarbrücker Staatsanwaltschaft vor dem Ausschuss zur Spendenaffäre vernommen. Die Öffentlichkeit aber wird wohl weitgehend ausgeschlossen sein – schließlich sind die Vernehmungsakten vertraulich.

Die Staatsanwälte von der Saar hatten sich erst nach längerem Hin und Her eines Teilaspekts der Leuna-Geschäfte angenommen. Sie leiteten gegen einen mutmaßlichen Beteiligten im Leuna-Verkauf, den saarländischen Geschäftsmann Dieter Holzer, ein Ermittlungsverfahren ein. Ihr Verdacht: Holzer habe Geldwäsche betrieben. Über ein Konto, dessen Handlungsbevollmächtigter Holzer war, soll ein Teil jener 80 Millionen Mark geflossen sein, die offenbar als Schmiergeld verteilt wurden.