Vier Jahre Gefängnis für Tung D.

Gestern fiel das Urteil im Fall des 15-jährigen Vietnamesen, der im sächsischen Bernsdorf einen Rechten erstochen und einen anderen schwer verletzt hat, nachdem er von ihnen angegriffen wurde. Anwältin will Revision einlegen

BERLIN taz ■ Zu vier Jahren Jugendhaft wurde am Dienstag der 15-jährige Vietnamese Tung D. verurteilt. Am 9. Dezember vergangenen Jahres hatte er im sächsischen Bernsdorf einen 21-jährigen Rechten erstochen und einen 20-Jährigen schwer verletzt. Die beiden hatten ihn auf dem Weihnachtsmarkt angepöbelt, beleidigt und geschlagen.

Das Landgericht Bautzen berücksichtigte eine ganze Reihe von strafmildernden Faktoren, so dass aus dem Vorwurf des Totschlags und des versuchten Totschlags am Schluss Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung blieb. Tung D. wurde in den fünf Jahren, die er in Bernsdorf lebte, „außergewöhnlich häufig“ von Deutschen verbal und tätlich angegriffen, stellte das Gericht fest. Nach Angaben des Sachverständigen führten diese Angriffe und die häufige Abwesenheit der Eltern, die sechs Tage die Woche arbeiteten, zum „sozialen Rückzug“. Tung D. habe zwar versucht, sein „belastetes Selbstwertgefühl“ durch gute schulische Leistungen wettzumachen. Doch wegen fehlender Kontakte zu Deutschen habe er sich „in einem Teufelskreis“ befunden, so der Vorsitzende Richter Tritschler.

„Anpassungsstörungen mit depressiv ängstlichen Tendenzen“, hieß es im psychiatrischen Gutachten. „Der Angeklagte befand sich im ersten Stock eines Affekthauses“, drückte sich der Richter aus. Durch die Provokationen am Tattag mit massiven Beleidigungen und Tätlichkeiten sei der Angeklagte „ins Obergeschoss des Hauses“ geraten. Dadurch sei seine Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert gewesen. Zudem stellte das Gericht fest, dass die Tat nie geschehen wäre, wenn Tung D., der nicht in Tötungsabsicht handelte, nicht provoziert worden wäre. Gegen den Angeklagten habe jedoch gesprochen, dass ein Mensch gestorben ist und ein zweiter schwer verletzt wurde.

Trotz all der entlastenden Faktoren orientierte sich das Gericht nicht an dem vom Jugendstrafrecht vorgesehenen unteren Strafmaß. Die Spanne liegt zwischen sechs Monaten und zehn Jahren. Richter Tritschler: „Das Strafmaß ist so weit unten wie noch nie beim Jugendstrafrecht, wenn jemand gestorben ist.“ Diese Meinung teilt Petra Schlagenhauf, die Anwältin von Tung D., nicht. Sie hatte auf ein Strafmaß unter drei Jahren gehofft und wird Revision einlegen. BARBARA BOLLWAHN
DE PAEZ CASANOVA