Nicht überall gleich

Das Gesetz zur eingetragenen Lebenspartnerschaft bedarf nur in einem Ergänzungsgesetz der Zustimmung durch den Bundesrat. Unionspolitiker geißeln die Aufsplittung als Umgehung der Länderkammer. Zu Recht?

von CHRISTIAN RATH

Am 20. Oktober 1998 schlossen SPD und Bündnisgrüne einen Koalitionsvertrag. Vorgesehen war darin auch die „Einführung des Rechtsinstituts der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit Rechten und Pflichten“. Doch eine entschlossene Mehrheit im Bundestag genügt in Deutschland häufig nicht, um politische Projekte auch durchsetzen zu können. Rund sechzig Prozent aller Gesetze bedürfen auch der Zustimmung des Bundesrats. Und da in der Länderkammer oft die Opposition über eine Mehrheit verfügt, müssen politische Kompromisse gesucht werden – oder das Vorhaben wird in einen zustimmungspflichtigen und einen zustimmungsfreien Teil aufgespalten.

So ging Rot-Grün auch bei der „Homoehe“ vor. Um nicht mit dem gesamten Projekt zu scheitern, wurde das Vorhaben gesplittet. Im Lebenspartnerschaftsgesetz sind alle Regelungen enthalten, die nicht der Zustimmung des Bundesrats bedürfen (siehe Randspalte). Das Gesetz wurde im Dezember 2000 im Bundestag beschlossen und inzwischen von Bundespräsident Rau unterzeichnet. Alle anderen Regelungen wurden dagegen in ein „Ergänzungsgesetz“ ausgelagert, das derzeit noch vom Bundesrat blockiert wird. Seit Februar versucht zwar der Vermittlungsausschuss, eine Lösung zu finden, doch die CDU-regierten Länder beteiligen sich nicht einmal an der entsprechenden Arbeitsgruppe.

Da fragt sich natürlich mancher, wozu eigentlich das Mitspracherecht des Bundesrates gut ist, wenn es nur zur parteipolitisch motivierten Blockade genutzt wird. Die Antwort liegt in der föderativen Struktur der Bundesrepublik. Um einheitliche Lebensbedingungen zu gewährleisten, werden zwar fast alle wichtigen Gesetze auf Bundesebene beschlossen, wobei die sechzehn Bundesländer „nur“ für die Ausführung zuständig sind – als Ausgleich für diese zentralisierte Rechtssetzung jedoch haben die Landesregierungen über den Bundesrat weitgehende Mitwirkungsrechte bei der Gesetzgebung des Bundes erhalten.

Das Grundgesetz definiert genau, in welchen Fällen die Länderkammer ein Vetorecht ausüben kann. Am häufigsten wird die Zustimungspflichtigkeit ausgelöst, wenn ein Bundesgesetz das Verwaltungsverfahren regelt, etwa weil bestimmt wird, welche Behörde eine Handlung vornehmen soll (bei der Lebenspartnerschaft etwa das Standes- oder das Einwohnermeldeamt), wer zu beteiligen ist und welche Gebühren dabei zu erheben sind.

Etwas überraschend ist vielleicht, dass sich dieses Vetorecht nicht auf den Teil des Gesetzes beschränkt, der tatsächlich in Länderbefugnisse eingreift. Vielmehr kann der Bundesrat das gesamte Gesetz prüfen und auch aus allgemeinen inhaltlichen Gründen ablehnen. So ist die Länderkammer zu einem wichtigen Akteur in der Gesetzgebung geworden: Spitzfindige Landesjuristen prüfen jedes Gesetz genau, ob nicht eine Detailregelung die Zustimmungsbedürftigkeit auslöst.

Es gibt nur ein Instrument, den Ländereinfluss im Zaum zu halten: die Aufteilung eines Projektes in einen zustimmungspflichtigen und einen zustimmungsfreien Teil. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Praxis bereits 1974 in einer eindeutigen Entscheidung anerkannt: „Der Bundestag ist nicht gehindert, in Ausübung seiner gesetzgeberischen Freiheit ein Gesetzesvorhaben in mehreren Gesetzen zu regeln“, urteilte Karlsruhe damals.

Und natürlich ist der Aufspaltungstrick im Bundestag stets gängige Praxis gewesen. So wurde jüngst die Rentenreform in einzelne Gesetze aufgeteilt, so dass nur ein kleiner Teil der Zustimmung im Bundesrat bedurfte. Auch in der Ära Kohl griff man gerne zu diesem Mittel, um Vetos des damals SPD-dominierten Bundesrats zu umgehen. Wenn Bayern nun die Aufspaltung der Regelungen zur „Homoehe“ als „willkürlich und damit verfassungswidrig“ angreift, ist dies scheinheilig.

Bayern und die beiden anderen klagebereiten Länder Thüringen und Sachsen argumentieren, dass das Lebenspartnerschaftsgesetz ohne das Ergänzungsgesetz gar nicht vollziehbar wäre. Tatsächlich ist im Partnerschaftsgesetz immer nur von der „zuständigen Behörde“ die Rede, ohne zu definieren, welches Amt damit gemeint ist. Auch fehlen bisher nähere Regelungen zu den Registern, in die die neuen Partnerschaften dann eingetragen werden.

Eigentlich wäre das kein Problem. Schließlich können (und müssen) die Länder notfalls in eigenen Gesetzen die fehlenden Regelungen treffen. Die SPD-dominierten Länder haben sich bereits auf einen Musterentwurf für die Umsetzungsgesetze geeinigt und wollen die neuen Aufgaben den Standesämtern zuweisen.

Viele CDU-regierte Länder wollen jedoch wegen der Ähnlichkeit zur Eheschließung die Partnerschaftszeremonie nicht generell beim Standesamt ansiedeln. Sie werden wohl zu großen Teilen dem hessischen Modell folgen, bei dem es keine landeseinheitliche Regelung gibt. Vielmehr soll jede Kommune selbst entscheiden, bei welcher Behörde Schwule und Lesben den Schritt in die Partnerschaft gehen können.

So sucht derzeit jedes Bundesland einen passenden Umgang mit dem neuen Gesetz. Eigentlich wird hier der Grundgedanke des Föderalismus, dass jeder nach seiner Fasson selig werden soll, geradezu idealtypisch verwirklicht. Und doch überwiegt die Klage, die Bundesregelung sei ein „Torso“. Man hat sich so an die zentralisierte Rechtssetzung gewöhnt, dass Freiräume als lästig erscheinen. Verfassungswidrig aber sind sie ganz sicher nicht.

Nur in Bayern will man „bis auf weiteres“ gar keine Vorbereitungen für die Umsetzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes unternehmen. „Wir hoffen, dass Karlsruhe die Homoehe stoppt, bevor das Gesetz am 1. August in Kraft tritt“, heißt es im Münchener Justizministerium. Der Freistaat hat bereits eine einstweilige Anordnung beim Bundesverfassungsgericht beantragt. Damit soll die Anwendung des Gesetzes bis zu einem Urteil in der Hauptsache – auf das man Jahre warten kann – verhindert werden.

Scheitert allerdings der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz, muss auch Bayern bestimmen, wie und wo im Freistaat Homopartnerschaften eingegangen werden können. Würde das Land sich weiter verweigern, müssten bayerische Homosexuelle eben in andere Länder ausweichen – und könnten dafür wohl die Fahrtkosten ihrer Festgesellschaft als Schadensersatz beim Freistaat geltend machen.

Lange Zeit hatte Rot-Grün gehofft, dass eine Verfassungsklage, die die Aufspaltung der Reform in zwei Gesetze angreift, schnell an Bedeutung verliert. Denn eine Zustimmung des Bundesrats zum zweiten Teil der Reform, dem Ergänzungsgesetz, schien keineswegs ausgeschlossen. Neben den SPD-, rot-grün oder rot-rot regierten Ländern fehlen für eine Mehrheit im Bundesrat nur neun Stimmen. Als Mehrheitsbeschaffer kamen hier insbesondere drei Länder in Frage: das sozialliberal regierte Rheinland-Pfalz (vier Stimmen), Berlin mit seiner großen Koalition und seiner aktiven homosexuellen Community (vier Stimmen), aber auch Baden-Württemberg, wo Ulrich Goll als FDP-Justizminister immer wieder seine „Verhandlungsbereitschaft“ betonte (sechs Stimmen). Doch die Wochen gingen ins Land, und nichts passierte. In Berlin schweigt der Senat, in Stuttgart kann sich Goll nicht gegen die CDU durchsetzen und in Mainz ist die SPD so konservativ wie sonst nur die Union.

Schlimm ist dies weniger wegen der Standesamtsfrage, vielmehr fehlen für eine ordentliche Homoehe ja auch noch viele Bestimmungen, vor allem im Steuerrecht. So zeigt sich mal wieder, dass der Zwang zur Einigung zwischen Bund und Ländern nicht gerade den Abbau des Reformstaus in Deutschland erleichtert. Im politischen Mainstream wird diese ergänzende Art von Gewaltenteilung allerdings weiterhin Lob und Zustimmung finden – als Anreiz für die Suche nach breit akzeptierten Lösungen. Und spätestens, wenn die CDU im Bund wieder an der Regierung ist, finden auch wir Linken und Liberalen dieses System doch recht hilfreich.

CHRISTIAN RATH, 36, ist rechtspolitischer Korrespondent der taz