taz_archiv_226661171923

Winzer des Nordens

Lederkäse und andere schmackhafte Merkwürdigkeiten von der Käsestraße gibts auf dem Käsemarkt am Kiekeberg  ■ Von Karen Schulz

WeinkennerInnen gibt es überall: Auf jeder Party findet sich jemand, der den anderen Gästen etwas über Lage, Aroma und Trauben eines guten Tropfens erzählt, der sich – hoffentlich – gerade im Glas befindet. Die Literatur zum Thema ist schier unübersichtlich und die Weinbaugebiete beliebte Ausflugsziele, wo Weinfans in Scharen zum Verkosten und Einkauf anreisen.

Zumindest was den Weinbau betrifft, können wir im hohen Norden da nicht mithalten. Daher hat Slow Food Hamburg kurzerhand erklärt: „Die Käser sind die Winzer des Nordens.“ Käse beschäftigt das Hamburger Slow Food-Convivium unter Leitung von Dr. Burchard Bösche schon seit einigen Jahren ausführlich. Schließlich ist es typisch für diese Organisation, sich mit regionalen Produkten zu beschäftigen, und hier liegt Käse nicht fern.

Slow Food macht auf die vielen kleinen Hofkäsereien im norddeutschen Raum aufmerksam, zum Beispiel durch die eigens zusammengestellte Reiseroute „Käsestraße Schleswig-Holstein“, an der entlang man sich durch Käsegenüsse probieren kann. Jeder Käser hat seine eigenen Zubereitungsmethoden, jedes Produkt dadurch einen anderen Charakter und Geschmack – genau, wie man es bei gutem Wein erschmecken kann.

Einen Querschnitt durch dieses Käseangebot gibt es am Sonntag nun zum vierten Male auf dem „Käsemarkt am Kiekeberg“ zu probieren. Und dort steht in diesem Jahr eine Käsesorte mit Geschichte im Rampenlicht: Der Holsteiner Lederkäse, eine alte holsteinische Spezialität, die irgendwann „ausgestorben“ ist, sprich nicht mehr produziert wurde. Das Rezept dafür, festgehalten in einem Käserei-Lehrbuch aus den 50er Jahren, gelangte auf verschlungenen Wegen in die Hände von Burchard Bösche, der mit Inghild und Dr. Manfred Drews, BesitzerInnen der kleinsten Käserei Norddeutschlands, der INGA Hofmolkerei, willige Produzenten gefunden und den Käse erneut zum Leben erweckt hat.

Seither wird die Milch der beiden roten Angeler-Kühe Lena und Gina zur Herstellung dieses Magermilchkäses verwandt, der seinen Namen übrigens der festen, ledrigen Rinde verdankt. Kein Gedanke allerdings daran, diese lang verschollene Spezialität auf dem Käsemarkt in kleinen oder größeren Mengen zu erstehen und nach Hause zu tragen. Die Milch von Lene und Gina ist gehaltvoll und besonders schmackhaft, dafür jedoch nicht allzu reichlich.

Die Folge: Vom Lederkäse gibt es bisher nur einige Proben, die zur Verkostung bereit stehen. Wer auf den Geschmack kommt, hat ja vielleicht im nächsten Jahr beim Käsemarkt Glück und kann dann zum Kauf schreiten.

4. Käsemarkt am Kiekeberg, Sonntag von 10-18 Uhr im Freilichtmuseum Kiekeberg, Rosengarten-Ehestorf, statt. Infos zu Slow Food und zur Käsestraße Schleswig-Holstein unter www.slowfood-hamburg.de , zur INGA Hofmolkerei unter www.hofmolkerei.de .