Berlin macht TUT und gibt Gas

Benzin und Diesel sind out. In Berlin läuft derzeit das Projekt „TUT“ an: Tausend Umwelt-Taxis für Berlin. Die erdgasbetriebenen Fahrzeuge sollen die hohen Rußwerte um ein Prozent senken. Noch ist das Tankstellennetz nicht genügend ausgebaut

von HOLGER KLEMM

Anfang April hatte Jürgen Trittin einen Auftritt, der weder für Dementi noch für Entschuldigung Anlass gab. Dabei hat er ganz ordentlich etwas verzapft: Er nahm eine Berliner Erdgas-Zapfsäule in Betrieb. Das Ziel: In zwei Jahren sollen 1.000 Taxen und 100 Fahrschulautos Erdgas statt Benzin tanken.

Im Sommer vergangenen Jahres wurde TUT (Tausend Umwelt-Taxis für Berlin) auf Betreiben des Bundesumweltministeriums (BMU) in Verhandlung mit dem Berliner Senat und Gaswerken konkret. Über die Deutsche Ausgleichsbank werden die ersten 1.000 Interessenten gefördert. Die Gasag unterstützt das Projekt mit einer Kraftstoffförderung. Als Ausgleich für die Mehrkosten bei der Anschaffung gasbetriebener Fahrzeuge werden die ersten 400 Anträge mit 9.000 Mark gesponsert, spätere Anträge geringer. Im Februar ging das Projekt ohne viel Werbung an den Start. 250 Anträge von Taxifirmen liegen vor.

An gegenwärtig sechs Zapfsäulen kann in Berlin Erdgas getankt werden. Vorreiter war vor einem Jahr die Shelltankstelle an der Karl-Marx-Straße in Neukölln. Durch die bessere Infrastruktur – bis Jahresende ist das Gastanken laut Plan an zwölf Stellen in Berlin möglich – soll die Nachfrage gesteigert werden.

Die BVG hatte 1998 zehn Busse auf Erdgas umgestellt, den Test aber nach einem Jahr Förderung beendet. Die Flotte war in unflexibel starkem Maße auf Diesel eingestellt. Ein Testlauf mit Erdgas-Taxis in Hannover – man erinnere sich vage an Expo und das Thema Nachhaltigkeit – brachte starke Nachfrage und das BMU auf die Idee, weitere Städte vom Erdgas zu überzeugen.

In Berlin fiel das nicht schwer. Die Rußwerte liegen weit über der Grenze, die das Bundesemissionsschutzgesetz als Höchstwert vorschreibt. Die tausend alternativen Taxis werden das Problem um rund ein Prozent reduzieren – nicht viel, aber ein wichtiger Impuls für die Verkehrsentwicklung in der Hauptstadt. Im Unterschied zum Dieselmotor emittiert ein Erdgasmotor praktisch keine messbaren Rußpartikel. Auch bei den anderen Kennwerten ist Erdgas im Benzin-Diesel-Vergleich Spitzenreiter: um bis zu 25 Prozent weniger Kohlendioxid, halb so viel Kohlenmonoxid. Der Ausstoß von Kohlenwasserstoffen und Stickoxiden beträgt weniger als ein Viertel im Vergleich zum Diesel. Ein weiterer Vorteil ist, dass Erdgaser deutlich leiser fahren. Neben allem Umweltdenken ist das stärkste Argument der Preis. Erdgas soll, gegenfinanziert durch die Ökosteuer, bis 2009 um ein Drittel billiger sein als Diesel.

Besonders Ford und Volvo sind mit erdgasbetriebenen Standardmodellen im Rennen. Die Tanks gelten als die sichersten Teile im Fahrzeug; der TÜV setzt mit Drucktests in dreifacher Stärke hohe Maßstäbe. Eine Explosionsgefahr selbst bei austretenden Gasen besteht nicht. Erdgas ist leichter als Luft, verflüchtigt sich nach oben und verdünnt sich dabei. Die Nachteile: Die Reichweite ist mit 200 bis 250 Kilometern pro Tankfüllung gering, umrüsten lassen sich nur Benziner.