berliner szenen
: Thomas D predigt

Eso im SO 36

Und Er ruft ihnen zu: „Jedes Wort in Liebe gesprochen ist ein Gebet auf dieser Erde!“ Die im Dunkeln brüllen vor Begeisterung, toben: Thomas! Thomas! Thomas D ist auf Solopfaden zum Gig nach Berlin gepilgert. Der Zuschauerraum im SO 36 ist rappelvoll. Seit Wochen sind die Karten ausverkauft. Nicht einmal jene, die Thomas persönlich angehauen haben, als er kurz vorher seine Hunde um den Block führt, kommen rein. Thomas D spielt mit einem siebenköpfigen Orchester sein frisches Weltverbesserungswerk „Lektion in Demut“. Es ist sein siebtes Konzert. Sein erstes siebtes Konzert, wie er betont. Das bedeutet ihm viel.

Einer glücklichen Fügung des Schicksals ist es zu verdanken, dass dieses einmaligste Konzert ausgerechnet in Berlin stattfindet. Denn das Berliner Publikum versteht Thomas wie anscheinend kein zweites. Es begreift seinen Auftrag im „heiligen Krieg für den Frieden“. In Hamburg zum Beispiel, erzählt er, sei ein zentraler Song nicht angekommen. „Aber Ihr wisst, worum es geht! Ihr haltet das aus: Das ist musikalische Gehirnwäsche.“ Buenos Dias Messias! „Es geht um die Liebe!“

Während der ersten sechs Tourtage hat Thomas „viele Menschen getroffen, die ihm viel sagen konnten, weil er ihnen schon viel geben konnte“. Das ist viel. Aber ausgerechnet „Berlin“ hier im Saal „ist sehr spürbar bei ihm, sehr spürbar. Wir erleben einen sehr intensiven, einmaligen Abend. Fühlt ihr die Energie?“ Aber ja, jetzt, wo er das sagt! Das sind vielleicht Vibes! Man könnte fast vergessen, dass genau in diesem Sinn jedes Konzert esoterisch ist.

Als letzte Zugabe spielt der Meister sein Manifest, den Liebesbrief. Zumindest die Glücklichen in den ersten Reihen können den Text auswendig. Nach der Nummer wird gegrölt. Obwohl eh klar ist, dass es jetzt vorbei sein muss. Dann strömt das Volk aus dem Saal. Einige wenige setzen sich für ein, zwei Bierlängen an den Rand. Thomas’ Hunde pflügen durch das knöcheltiefe Pappbecherwatt im Saal. Die Saalmeister legen Kruder & Dorfmeister auf. Die Gebliebenen wirken schon ein bisschen müde. Das ist verständlich. Sie haben viel gebetet an diesem Abend.

JULIA ENGELMAYER