VOLKSWAGEN MÜSSTE ARBEITER AN UNTERNEHMENSGEWINN BETEILIGEN
: Risiko eindeutig verteilt

So funktioniert modernes Unternehmertum: Für 5.000 Mark brutto monatlich sollen die Beschäftigten des geplanten VW-Werks in Wolfsburg und Hannover rund ein Drittel mehr arbeiten als ihre Kollegen in den anderen Fabriken. Die einst erstrittenen Tarifverträge spielen nur noch insofern eine Rolle, als man diskutiert, wie weit man sie unterschreiten kann. Währenddessen blicken die Manager der größten deutschen Aktiengesellschaften auf ein erfolgreiches Jahr 2000 zurück. Ihnen gelang es, ihr Einkommen um durchschnittlich 1 Million Mark zu steigern. Pro Kopf kommen sie jetzt im Schnitt auf 3,4 Millionen Mark jährlich.

Angesichts dieser üppigen Saläre ist der Vorschlag von VW-Vorstand Peter Harz eine ordentliche Unverfrorenheit – und spiegelt die Hilflosigkeit der IG Metall. Nicht umsonst droht der VW-Vorstand mit Tschechien, Portugal und dem Rest der Welt. Die hiesigen Lohn- und Sozialstandards sind unter Druck, weil anderswo billiger, länger, flexibler gearbeitet wird. Der VW-Plan ist deshalb auf der Höhe der Zeit: Er spiegelt die realen Kräfteverhältnisse, die sich zuungunsten der Beschäftigten verschoben haben. Mehr scheint gegenüber dem Unternehmen nicht durchzusetzen zu sein. Da muss man schon dankbar sein, so kalkuliert die IG Metall, dass der Konzern überhaupt 5.000 Leute neu einstellen will.

Das Fabrikprojekt ist ein Beispiel, wie gesellschaftliches Risiko neu definiert und umverteilt wird. Ob sie wollen oder nicht, geraten die Beschäftigten zunehmend in die Rolle moderner Arbeitskraft-Unternehmer. So haben sie jetzt das Zeitrisiko: Ohne dass der Lohn dem Aufwand angepasst würde, müssen sie bleiben, bis die Produktion erledigt ist – maximal 48 Stunden pro Woche. Wenn Vorstände von ihren Beschäftigten quasiunternehmerische Flexibilität fordern, fügen sie freilich selten hinzu, dass sie damit nur die eine Seite des Unternehmertums meinen. Die neue Unsicherheit findet zu wenig Entsprechung in neuen Sicherheiten – wie etwa einer spürbaren Beteiligung am Gewinn der Firma. Das ist bei den Vorständen natürlich anders. Für die wird mit Sicherheit auch 2001 ein gutes Jahr – dank großzügiger Provisionen und Gehaltserhöhungen. HANNES KOCH