Weniger als viel mehr arbeiten

Die Beschäftigten im zukünftigen VW-Modell „5.000 mal 5.000“ sollen nun doch weniger als maximal 48 Stunden pro Woche in der Fabrik anwesend sein. Vorstand und IG Metall kommen sich näher, können sich aber noch nicht einigen

aus Hannover JÜRGEN VOGES

„Ein Gegenmodell zum Neoliberalismus kann das werden“, sagte der hannoversche IG-Metall-Bezirksleiter Hartmut Meine gestern nach der dritten Verhandlungsrunde über das Modell „5.000 mal 5.000“. Zuvor hatten der Gewerkschafter und VW-Arbeitsdirektor Peter Hartz erneut vier Stunden über das neue VW-Arbeitsmodell verhandelt, mit dem zunächst am VW-Stammsitz in Wolfsburg 3.500 neue Arbeitsplätze entstehen sollen. 1.500 weitere neue Jobs sollen dann später in Hannover hinzukommen.

Dass die 5.000 zusätzlichen VW-Beschäftigten, vorwiegend Arbeitslose, auch ein einheitliches Bruttogehalt von 5.000 Mark im Monat erhalten werden, hat dem Modell den Namen „5.000 mal 5.000“ gegeben. Weil 5.000 Mark brutto im Monat eben „kein Billigtarif“ sind, spricht IG-Metaller Meine auch von einem Gegenmodell. Dabei sollen auch in einem Hochlohnstandort wie der Bundesrepublik neue industrielle Arbeitsplätze entstehen, ohne dass nach neoliberalem Rezept, „wie es viele Professoren empfehlen“, Arbeitnehmerrechte abgebaut oder neue Niedriglohngruppen eingeführt werden.

Die wichtigste Hürde auf dem Weg zu dem auf drei Jahre befristeten Modell, in dessen Rahmen in Wolfsburg ein VW-Multifunktionsfahrzeug gefertigt werden soll, haben die Tarifparteien am gestrigen Montag in ihren Gesprächen bei Wolfsburg überwunden. Die Forderung der Arbeitgeberseite nach einer Arbeitszeit von 48 Stunden pro Woche sei vom Tisch, sagte Meine. Im Gegenzug habe die IG Metall anerkannt, dass ein Teil der Zeit zur Qualifizierung, die die neuen VW-Beschäftigten brauchen, außerhalb der Arbeitszeit stattfinden dürfe.

Von einem Durchbruch bei den Verhandlungen, die nun am 18. Juni fortgesetzt werden, wollte der IG-Metall-Bezirksleiter zwar noch nicht sprechen. Meine zeigte sich aber optimistisch, dass man sich noch vor der Sommerpause über die Arbeitszeit einigen und auch die übrigen Probleme vom Tisch räumen werde. Er verweigerte aber jede Aussage dazu, wie weit bei „5.000 mal 5.000“ die Arbeitszeit über den bei VW üblichen 28,8 Wochenstunden liegen könnte.

Zu dem Modell wollen beide Seiten am Ende gleich vier Tarifverträge abschließen, die nicht nur Entlohnung und Arbeitszeitbedingungen regeln, sondern auch Qualifizierung und eine erweiterte Mitbestimmung.

Die Gewerkschaft will über das Modell vor allem die weitere Schwächung des VW-Standortes Wolfsburg verhindern. Dort fanden Mitte der Achtzigerjahre noch annähernd 65.000 VW-Beschäftigte Arbeit, heute sind es nur 50.000. Am stärksten nahm dabei die Zahl der Arbeitsplätze in der Fahrzeugproduktion ab. Heutzutage bauen nur noch 21.000 Wolfsburger VW-Beschäftigte Autos.

Die 5.000 Mark Bruttolohn entsprechen nach Angaben der IG Metall dem jetzt auch im Produktionsbereich gezahlten durchschnittlichen Entgelt. Die Zahl von angeblich 48 Arbeitsstunden pro Woche, an der das Modell zuletzt zu scheitern drohte, hatte von vornherein neben der „wertschöpfenden Arbeitszeit“, auch Zeit für Fortbildung und für Kommunikation mit eingeschlossen. Die tatsächliche Arbeitszeit wird wahrscheinlich am Ende nun bei 35 Stunden pro Woche liegen.

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