Plant Schily einen Alleingang?

Der Bundesinnenminister wollte offenbar am 5. Juli, einen Tag nach dem Bericht der Zuwanderungskommission, einen in seinem Haus erarbeiteten Gesetzesvorschlag präsentieren – zum Ärger der Grünen, die sich übergangen fühlen

von SEVERIN WEILAND

Man höre die „unterschiedlichsten Töne“ vom Koalitionspartner, meinte der Parteivorsitzende der Grünen, Fritz Kuhn, als er gestern auf die Vorstellungen der SPD zur Zuwanderung angesprochen wurde. Weil dies so sei, wollten die Grünen mit der SPD am kommenden Montag in einem Spitzengespräch „eine gemeinsame Linie finden“. Dann werden die Partei- und Fraktionvorsitzenden beider Parteien und das Kanzleramt sich des Themas Zuwanderung annehmen.

Dass das Treffen zum jetzigen Zeitpunkt stattfindet, ist dem Drängen der Grünen geschuldet. Sie waren durch Gerüchte aufgeschreckt worden, Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) wolle bereits am 5. Juli einen in seinem Hause erarbeiteten Gesetzentwurf vorlegen – genau einen Tag, nachdem die von Schily eingesetzte Zuwanderungskommission unter Rita Süssmuth ihrerseits ihren Bericht der Öffentlichkeit präsentiert.

Kuhn versuchte gestern dem Eindruck entgegenzuwirken, zwischen den Koalitionären drohe ein Grundsatzstreit um das Maß der Zuwanderung. Was von beiden Partnern von der Süssmuth-Kommission als umsetzbar angesehen werde, sollte man auch umsetzen, alles andere hielte er für „einen politischen Fehler“. Für Kuhn heißt das: „Wir wollen die Ergebnisse der Süssmuth-Kommission abwarten.“ Die Grünen sind nach den Worten Kuhns nach wie vor bestrebt, noch in dieser Legislaturperiode den „Einstieg in ein Einwanderungsgesetz zu machen“. Er sei guter Hoffnung, dass SPD und Grüne am Montag „ein gutes Stück weiterkommen“.

Äußerungen des SPD-Generalsekretärs Franz Müntefering, wonach die Ausbildung von Inländern und der Abbau der Arbeitslosigkeit Vorrang vor der Zuwanderung habe, fing Kuhn mit einer Kompromissformel auf: Beides sei „extrem wichtig“, er würde „nicht von einem Vorrang reden wollen“. Man solle daher, so Kuhn, energisch auf Weiterbildung und auf die Einwanderung aus wirschaftlichen Gründen setzen.

Aus dem Kreis der Bundestagsfraktion der Grünen wurden gestern, wenn auch anonym, deutlichere Wort des Unbehagens über den Kurs des Bundesinnenministers gebraucht. Das Thema Zuwanderung „ist kein Privatvergnügen eines einzelnen Kabinettsmitglieds“, hieß es mit Anspielung auf Schilys offensichtlich geplanten Alleingang beim Gesetzentwurf. Bei einem derart komplexen Thema wie der Zuwanderung seien arbeitsmarktpolitische, sozialpolitische oder auch außenpolitische Belange ebenfalls berührt. Man erwarte vom Koalitionspartner, dass betroffene Ressorts bei der Erarbeitung eines Gesetzentwurfs beteiligt würden.

In der Fraktion wird befürchtet, die Arbeit der Süssmuth-Kommission könne am Ende ein ähnliches Schicksal erleiden wie die der Wehrstruktur-Kommission vor einem Jahr. Bevor diese ihre Ergebnisse präsentierte, hatte Verteidigungsminister Rudolf Scharping bereits ein eigenes Modell in der Öffentlichkeit lanciert. An Scharpings Verhalten hagelte es Kritik, die dieser aber weitgehend ungerührt zur Kenntnis nahm. „Wir wollen keine Konstruktion, die an die Situation mit Scharping erinnert“, hieß es gestern aus der Bundestagsfraktion.

Wie weit der Nutzwert der Süssmuth-Kommission durch das Spitzentreffen kommende Woche beeinflusst wird, ist offen. Aus Sicht der Grünen sind die dort erarbeiteten Ergebnisse „zum Teil gut bis sehr gut“. So gebe es Bewegung hinsichtlich der Anerkennung geschlechtsspezifischer und nichtstaatlicher Verfolgungsgründe bei der Asylgewährung. Bei der SPD verlief unterdessen am Freitag ein weiteres Treffen ihrer Arbeitsgruppe zur Zuwanderung und Integration ohne abschließendes Ergebnis.