: Beiräte weiter bei Trockenbrot
■ Ein bisschen mehr Rechte kriegen die Beiräte hingeworfen, sonst bleibt nahezu alles wie es ist / An eine wirkliche Reform haben sich SPD und CDU offenbar aber nicht herangewagt
Nach 18 Monate Diskussion um mehr Rechte für die Beiräte hat sich die Arbeitsgruppe aus SPD und CDU jetzt auf eine Reform geeinigt. Den kleinen gemeinsamen Nenner begrüßen inzwischen selbst die Grünen als „Schritt nach vorn“. Doch mehr als ein Reförmchen hat die Koalition in Wirklichkeit nicht zustande gebracht. Über die Festschreibung des Status Quo gehen die geplanten Änderungen im Ortsgesetz meist kaum heraus.
Nur bei einigen wenigen Punkten dürften Basisdemokraten wirklich frohlocken. Zum Beispiel können Bremens Beiräte in Zukunft über Ausbau, Umbau und Benennung von Straßen und Grünflächen entscheiden. Und zwar in letzter Instanz – jedoch nur sofern diese stadtteilbezogen sind.
Außerdem soll zwischen Behörden und Beiräten künftig Einvernehmen hergestellt werden. Bislang wurde das Votum des Beirats lediglich „zur Kenntnis genommen“. In Zukunft jedoch „kriegt die Behörde die Hausaufgabe auf“, mit einem neuen Vorschlag binnen vier Wochen beim Beirat vorstellig zu werden, erklärt Helmut Pflugradt für die CDU. Gibt es auch dann keine Einigung, geht alles wie gehabt an die Deputation, die entscheidet. Zwischen Beirat-Befassung und Deputaton liegen wie bisher drei Monate.
Eigentlich alles wie eh und je. Nur mit dem Unterschied, dass die Behörde sich zweimal in die Höhle des Löwen wagen muss und so möglicherweise zweimal „öffentlich vorgeführt“ wird, meint Pflugradt. Aber ob das ausreicht, damit sich Behördenvertreter von nun an „auf einer Augenhöhe“ mit den Ortsräten verständigen, wie es SPD und CDU glauben machen wollen?
Denn weder bei den Kleingärten, noch beim Rembertikreisel hätten die Beiräte nach der künftigen Einvernehmensregelung „etwas umstoßen können“, gibt Renate Möbius (SPD) zu. „Bei Grundsatzentscheidungen kann man eben nicht viel machen“, meint auch SPD-Fraktionschef Jens Böhrnsen: „Vielleicht fallen dann die Begleitmaßnahmen wohlwollender aus.“
Die Beiratspolitiker der großen Fraktionen jedenfalls haben die Kröte geschluckt – und einstimmig dem Gesetzentwurf zugestimmt. „Die hatten vor allem Angst, dass ihnen die Ortsämter genommen würden“, vermuten Insider. Nach dem Willen der Koalition sollen die Ortsämter immerhin eine Mindestausstattung von drei Mitarbeitern bekommen. Außerdem werden die Ortsämter aus der Personalein-sparungs-Quote herausgenommen. Auch die finanzielle Ausstattung wird auf dem bisherigen Stand von 7,5 Millionen Mark (inklusive 1,5 Millionen für die Globalmittel der Beiräte) festgeschrieben.
„Eigentlich ist der Gesetzentwurf nicht viel mehr als die Wiederherstellung des alten Zustands“, kritisiert Rolf Prigge. Der Verwaltungswissenschaftler an der Bremer Uni hat die Strukturen in 17 Großstädten untersucht. „Aber das Postulat 'Beiräte stärken' wird hier nicht wirklich umgesetzt.“ Nur weil der Beirat doppelt gehört wird, könne man nicht von einer Einvernehmlichkeitsregelung sprechen. „Das ist nicht viel mehr als ein Mitwirkungsrecht“. Auch Bernd Huse, Parteiloser im Beirat Schwachhausen, hält den Entwurf für wenig gelungen: Das gewünschte Einvernehmen „kann die Behörde doch einfach aussitzen“. Beirat und Verwaltung müssten sich so oft verständigen bis es eine gemeinsame Lösung gibt – und nicht nur einen Monat lang. Umstritten ist auch, dass die Deputation das letzte Wort im Streitfall haben soll: „Die Entscheidung muss öffentlich gemacht werden, und nicht im stillen Kämmerlein der Deputation bleiben“, fordert Huse. Aber ob alles so bleibt? Spätestens in der nächsten Legislaturperiode, vermutet Prigge, „wird das Gesetzwerk dringenden Reformbedarf auslösen.“ pipe
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