Kein Pfennig zu viel für NS-Opfer

Nachdem die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft jetzt die Rechtssicherheit anerkannt hat, bahnt sich ein neuer Streit um die Zinserträge an. Initiative will nur 100 Millionen Mark zahlen. Zu wenig, sagen die Vertreter der Zwangsarbeiter

von NICOLE MASCHLER

Kaum ist der Streit um die Frage der Rechtssicherheit für deutsche Firmen in Sachen Zwangsarbeiterentschädigung vom Tisch, bahnt sich bereits ein neuer an: Es geht um die Zinserträge aus dem 5-Milliarden-Mark-Beitrag der Wirtschaft, die seit Inkrafttreten des Stiftungsgesetzes im vergangenen August aufgelaufen sind. Die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft will nur 100 Millionen Mark zusätzlich zahlen.

Diese Summe wird in der gemeinsamen deutsch-amerikanischen Erklärung vom vergangenen Juli genannt. Dort steht aber auch „at least“ – „mindestens“. Die Frage ist: Wann war der Wirtschaftsanteil fällig?

Schon im August, sagt Lothar Evers vom Bundesverband Information und Beratung für NS-Verfolgte. In der englischen Fassung der gemeinsamen Erklärung heißt es: Die 5 Milliarden Mark der deutschen Firmen sind an die Bundesstiftung zu zahlen und die Auszahlung der Gelder beginnt, wenn die US-Klagen gegen deutsche Firmen zurückgewiesen sind. Die Stiftungsinitiative, so Evers, verkürze diesen Satz in unzulässiger Weise. Sie argumentiere, dass das Geld erst mit der Abweisung der Klagen in den USA gezahlt werden müssen.

Auf bis zu 200 Millionen Mark beliefen sich die Zinsen inzwischen, sagt denn auch Evers, pro Tag 700.000 Mark.

Das Stiftungsgesetz selbst bleibt unklar. Danach sind zwar alle Erträge aus dem Stiftungsvermögen „nur im Sinne des Stiftungszwecks zu verwenden“. Aber der Wirtschaftsanteil wird laut Gesetz erst mit der Feststellung der Rechtssicherheit durch den Bundestag fällig. Einen entsprechenden Beschluss wollen die Fraktionen am Mittwoch verabschieden.

Zwar hat die Politik die Wirtschaft immer wieder aufgefordert, ihren Anteil der Bundesstiftung zu überweisen. Die Initiative lehnte dies stets ab, da sie die Beiträge der Firmen nur „treuhänderisch verwalte“. Inzwischen haben aber auch 43 Mitglieder der Initiative gefordert, die 5 Milliarden Mark sofort zu überweisen. Die Politik hält sich in Sachen Zinserträge bedeckt.

Auch die Frage der Antragsfristen ist ungeklärt. Die Frist, die zum 11. August ausläuft, müsse um mindestens drei Monate verlängert werden, sagte der Grüne Volker Beck der taz. „Im Hinblick auf die Antragsfristen besteht zunächst kein gesetzlicher Handlungsbedarf“, entgegnet SPD-Vizefraktionschef Ludwig Stiegler. Eine Verlängerung könne das Stiftungskuratorium selbst festlegen. Wegen des zweistufigen Auszahlungsmodus ist die Frist begrenzt. Jede Verlängerung führt dazu, dass sich die zweite Rate für die Opfer verzögert.

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