Sozis misstrauen Diepgen

Wegen der akuten Finanzkrise des Landes müssen jetzt alle kürzer treten – selbst der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen. Nach Willen der SPD soll er die Führung des Justizressorts abgeben

von DIRK HEMPEL

Die schwere Haushaltskrise des Landes wird jetzt zur Koalitionskrise. Auf Wunsch der Sozialdemokraten sollen am morgigen Sonntag die Spitzen von CDU und SPD zusammenkommen, Anfang Juni soll dann der Koalitionsausschuss tagen. Dabei wollen die Sozialdemokraten offenbar auch die Ressortverteilung im Senat thematisieren und die Justizverwaltung beanspruchen.

Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass „direkt oder indirekt politischer Einfluss auf die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen behindert“, sagte der SPD-Politiker Klaus-Uwe Benneter gestern der taz. Diese Äußerung des Abgeordneten, der dem Untersuchungsausschuss zur Affäre um die Immobiliengeschäfte der Bankgesellschaft vorsitzt, richtet sich gegen den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU). Der CDU-Vorsitzende leitet das Justizressort und ist damit Dienstherr der Staatsanwaltschaft. Nach Auffassung Benneters solle das Ressort „zumindest vorübergehend von jemandem geführt werden, bei dem ein Interessenkonflikt von vornherein auszuschließen ist“ – etwa von einem SPD-Vertreter.

Die Koalitionsfrage wollen die Sozialdemokraten aber nicht stellen. Die SPD werde aber dem für kommende Woche angekündigten Nachtragshaushalt nicht zustimmen, weil dieser nur einen Teil des tatsächlich durch die Bankgesellschaft entstandenen Bedarfs abdecke, so Parteichef Peter Strieder gestern. Der Nachtragshaushalt sieht Einsparungen in Höhe von 700 Millionen Mark vor. Laut Strieder handelt es sich dabei nur um ein Zehntel der tatsächlich entstandenen Finanzierungslücke von 7 Milliarden Mark. Zuvor hatte der SPD-Mann mit Finanzsenator Peter Kurth (CDU) konferiert.

„Die Haushaltskrise des Landes ist existenziell und dramatisch“, so Strieder. Es sei „ein System von Beziehungen und Freundesdiensten, von Machtmissbrauch und politischer Einflussnahme“ entstanden.

Die Finanzkrise der Bankgesellschaft, die zu 56,6 Prozent dem Land gehört, ist unter anderem der Kreditvergabe bei der Immobilienbanktochter Berlin Hyp geschuldet. Die Berlin Hyp, die vom früheren CDU-Fraktionsvorsitzenden Klaus-Rüdiger Landowsky geleitet wurde, hatte Kredite an die von CDU-Mitgliedern geführte Immobilienfirma Aubis vergeben. Nach Informationen des Senders Freies Berlin (SFB) ist ein Teil der Aubis-Gelder offenbar an die nicht im Handelsregister verzeichnete Firma Andex Immobilien GmbH geflossen. Das Amtsgericht hatte der Andex, deren Geschäftsführer und Mitgesellschafter ein weiterer CDU-Politiker werden sollte, den Eintrag im Oktober 1996 verweigert. Trotzdem sollen laut SFB insgesamt 5,7 Millionen Mark von Aubis an Andex gezahlt worden sein.

Der Untersuchungsausschuss muss jetzt nach Auffassung Benneters prüfen, ob die Gelder auf diesem Wege zur CDU geflossen sind. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Sibyll Klotz, kündigte gar einen Misstrauensantrag gegen den Senat an, sollte sich Diepgen nicht in einer Regierungserklärung zur Finanzkrise und dem Bankenskandal äußern. Den baldigen Wechsel zu einer Koalition der SPD mit PDS und Grünen schloss der Grünenabgeordnete Burkhard Müller-Schoenau gestern allerdings aus: „Dafür gibt es kein Wählermandat.“ Erst nach Neuwahlen sei ein solcher Schritt denkbar. Dafür aber brauchte es sogar die Stimmen der CDU: Das Abgeordnetenhaus kann nur mit Zweidrittelmehrheit seine Auflösung beschließen, die Christdemokraten stellen aber mehr als ein Drittel der Parlamentarier.

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