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Die Allgegenwart der Zeichen

Vom Piratensender zum Remix-Ruhm: Das Londoner Produzentenduo Badmarsh & Shri bildet eine ideale Verbindung von DJ-Know-how und Kompetenz in indischer Klassik. Ihr Album „Signs“ verwebt Drum ’n’ Bass und Ragga mit Ragas

Als Produktionsduo verkörpern sie das ideale Paar: Badmarsh ist ein DJ mit den Skills und dem Know-how des London-Undergrounds; Shri ein klassisch ausgebildeter Musiker, der gleich drei Instrumente beherrscht: Flöte, Bass und die indische Tabla-Trommel. Ihr neues Album „Signs“ hält gekonnt die Waage zwischen chilliger Musik für den Sonnenuntergang und Uptempo-Nummern für den Dancefloor. Und beim Stück „Get up“ wird sogar James Brown zitiert. „Wir haben unsere Einflüsse, unsere Freude, unsere Message in diese Reise einfließen lassen“, charakterisiert Badmarsh das Album. Der Titel „Signs“ ist aber auch ein versteckter Verweis auf den alltäglichen Rassismus in Großbritannien: „Die Zeichen sind immer da. Es kommt aber darauf an, wie man damit umgeht. Man kann verärgert reagieren oder depressiv“, sagt Badmarsh. „Man kann aber auch versuchen, das Ganze anzufechten.“

Shri ist erst Mitte der Neunzigerjahre aus Indiens Hauptstadt Bombay nach England übergesiedelt, davor tourte er als Tablaspieler mit einer indischen Rockband durch die Welt. Der im Jemen geborene Badmarsh beschallte den Londoner Osten vor einigen Jahren mit dem Sound seines eigenen Piratensenders „Ali FM“. Von seiner Mutter bekam er deshalb das Etikett „Badmarsh“ (Hindi für Gauner) verpasst. „Als ich angefangen habe zu produzieren“, erinnert sich Badmarsh, „gab es gar keinen Markt für neue asiatische Musik.“ Das hat sich seit Mitte der Neunziger geändert. Das Label „Outcaste“ gab Produzenten wie Nitin Sawhney oder Badmarsh & Shri eine Plattform.

Ein umfassendes Netzwerk für den so genannten Asian Underground fehlt aber nach wie vor. Selbst in London, einer Stadt mit tausenden Immigranten aus Indien, Pakistan und Bangladesch, sieht es im Moment nicht gerade rosig aus mit regelmäßigen Clubabenden. Und die Nu-Asian-Dance-Szene arbeite eher gegeneinander als miteinander. „Manche fallen sich sogar in den Rücken.“ Diese Kritik zielt nicht zuletzt in Richtung Talvin Singh, des selbst erklärten Vaters der Szene. Für Badmarsh ist er eher eine zwiespältige Person: Einerseits „listiger Medienmanipulator“, andererseits bescheidener Musiker – auf jeden Fall keine Integrationsfigur.

Zwischen Talvin Singh und dem Rest der Produzenten der Nu-Asian-Dance-Szenerie gibt es auch keinen Remix-Austausch. Stattdessen haben Badmarsh & Shri in den vergangenen Jahren Aufträge für so verschiedene Projekte wie „Transglobal Underground“, die deutsche Ethnoband „Die Dissidenten“ sowie den indischen Filmkomponisten Jolly Mukherjee erledigt. Ihr Remix von Ananda Shankars’ Klassiker „Dancing Drums“ markierte vor drei Jahren die Marschrichtung des Duos: „Das war unser Sound: Drum ’n’ Bass in your Face“, sagt Badmarsh rückblickend. Inzwischen haben sich auch andere Sounds in seine Plattenkiste geschlichen. Badmarsh mag die jazzig angehauchten Produktionen von St. Germain, Jazzanova, IG Culture und Hefner. „Das hat Soul, Groove und Bewegung.“ Auf dem neuen Album „Signs“ wirkt die Tabla wie ein Streifen Tesafilm, der die verschiedenen Elemente zusammenhält. Bei einigen Tracks tritt der London-typische Ragga-Sound in den Vordergrund, repräsentiert durch die beiden MCs UK Apachi („Original Nuttah“) und JC 001.

„UK Apachi hatte gar keinen Plan von unserer Musik“, lacht Shri. „Er fragte uns am Anfang nur: Macht ihr Bhangra oder was?“ Um die indische Bhangra-Musik existiert in London eine eigene Szene, die auch kontinuierlich wächst. „Es ist aber mehr eine Art Familien-Sound“, meint Badmarsh. „Die Eltern hören und verstehen diese Musik. Die Jugendlichen der zweiten Generation hören eher Rap, Reggae und Drum ’n’ Bass.“

Dass Missy Elliott mit ihrer neuen Single „Get Ur Freak On“ nun zum ersten Mal einen Tabla-Breakbeat-Loop in die weltweiten Charts gebracht hat, findet Shri „fantastisch“. Aber er merkt auch kritisch an: „Wenn der Track von einer asiatischen Gruppe produziert worden wäre, wäre er niemals in die Charts gekommen.“ Denn: „Dorthin schaffen es nur Schwarze mit R&B oder HipHop, oder Weiße mit Rocksongs.“ Das wirke sich bis in die indische Metropole Bombay aus, wo Badmarsh vor einem Monat war. In den Discotheken liefen nur westliche Hits. „Aber die Leute waren offen für neue Musik. Unsere DJs müssten also auch häufiger nach Indien gehen und dort auflegen“. STEFAN MÜLLER

Badmarsh & Shri: „Signs“ (Outcaste)

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