Kurssturz in die Arbeitslosigkeit

„Zeit TV“ gibt einen Grundkurs in der Geschichte der New Economy. Tiefgründig wird es nicht, dafür kommt so ziemlich alles drin vor. Die Autoren beantworten die Frage, warum auf Cash der Crash folgen musste (Sa, 19.20 Uhr, 3sat)

BERLIN taz ■ Ist der Mann naiv? Olaf Dimigen will mit dem Internet Geld verdienen. Der Psychologiestudent hat in seiner Berliner WG mehrere Computer aufgestellt und eine dicke Leitung dran geklemmt. Andere Start-ups haben ähnlich angefangen – und alle gemeinsam dreihundert Milliarden Mark an der Börse vernichtet. Olaf Dimigen gehört zu den letzten Optimisten in der Dokumentation „Erst Cash, dann Crash“. Er glaubt, man kann auch ohne großen Investor in der Krise Erfolg haben.

Karin Rieppel und Diane von Wredel versuchen in der Zeit-TV-Doku den Rundumschlag. Sie arbeiten in knapp vierzig Minuten die gesamte New Economy ab – vom Biotech-Dorf Martinsried bis zur monatlichen Start-up-Party „First Tuesday“ in der Hauptstadt. Und weil auch Verleger Burda im Internet investiert, kommt sein Unternehmen auch vor. Denn die Old Economy, so die Vermutung der Autorinnen, wird aus der Krise der New Economy lernen und profitieren. Neu ist die These nicht.

Die Börsenlieblinge von einst treffen sich jetzt auf Pink-Slip-Partys. Dort zeigen sie nicht ihr letztes Höschen, sondern ihre Kündigungen. Diese sind in Amerika auf rosa Papier gedruckt – daher der Name. Die erste deutsche Party war in Berlin. Dass sich dort mehr Journalisten als entlassene Internetexperten tummelten, verschweigen Karin Rieppel und Diana von Wrede dezent. „Wir haben mit Sicherheit zwischendurch das Gefühl gehabt, die Wirtschaft neu erfunden zu haben“, sagt Jens Thiele, der zahlreiche Unternehmen beraten und Pleite gehen sehen hat. Aussteiger Thiele besuchte für die Autorinnen mehrere Start-ups und erklärt, warum es so cool war, dabei zu sein: „Man stelle sich eine Bande von Jungs vor und plötzlich ist man irgendwie wichtig.“ Auf dem Kickertournier der Start-ups im Dezember schien für die Autorinnen diese Welt noch in Ordnung. Erstaunlich, wo doch der Nemax da bereits auf 3.000 Punkte gefallen war – zwei Drittel weniger als im März 2000.

DooYoo-Gründer Felix Frohn-Bernau fand es nach den Kursstürzen vor allem deshalb schwer, 25 seiner 60 Mitarbeiter zu entlassen, weil es nicht zur neuen Unternehmenskultur passte: Fröhlichkeit und Partys. Für Jens Thiele war es nur noch das Prinzip Twentyfour-seven. Vierundzwanzig Stunden an den Kommerz denken, sieben Tage in der Woche. „Wir haben die Welt nicht neu erfunden, aber ganz entschieden neu interpretiert.“

Verändern möchte sie Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel. „Die Kommerzialisierung des Internets braucht eine Gegenkultur.“ Der spät gestartete Olaf Dimigen wird diese nicht schaffen. Sein Start-up bedient die beiden Triebe, aus denen sich schon immer Kapital schlagen ließ: Sex und Eitelkeit. Auf binichsexy.de können Surfer ein Bild von sich ablegen und es von anderen bewerten lassen. Wer die Grundzüge der New Economy schon kennt, sollte sich morgen lieber dorthin klicken und den Hässlichen viele Punkte geben, anstatt die Doku auf 3sat zu sehen. RALF GEISSLER