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: Auf nach Italien!

Gerhard Schröder, den deutschen Bundeskanzler und SPD-Vorsitzenden, zog es bei seinem Kurzbesuch in Österreich mehr zu seinen Parteifreunden und deren Anhängern als zum christdemokratischen österreichischen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und dessen Partnern. Das kann niemanden wundern: Schließlich gehört zu Schüssels Partnern an herausragender Stelle der unsägliche Volksverhetzer Jörg Haider.

Kommentarvon HANS ARNOLD

Es fragt sich also, warum das österreichische Regierungslager trotzdem mit Säuernis reagierte. Sicher, den Boykott der EU-Staaten gegen Österreich hätte man wohl besser bleiben lassen. Aber der Fehlschlag dieser inhaltlich voll gerechtfertigten Maßnahme ist mitnichten ein Zeichen dafür, dass die Europäer die österreichischen Zustände mehrheitlich akzeptierten oder ihnen gar zustimmten.

Das Schicksal der EU-Sanktionen gegen Österreich zeigt lediglich, dass die Maßnahmen, die der EU-Vertrag von Amsterdam für den Fall der Verletzung von Menschenrechten und demokratischen Rechten und Freiheiten in einem EU-Staat vorsieht, unzureichend sind. Tatsächlich hat die Europäische Union erst dann eine Handhabe gegen ein Mitgliedsland, wenn dort tatsächlich gefoltert wird. Aber: Diese Rechtslage entspricht einem Europa, das ein Zusammenschluss von souveränen Staaten ist. Sie steht somit nicht für das Europa, das wir Europäer wollen.

Wir wollen kein Europa, in dem einer der europäischen Partnerstaaten sich bei anrüchigen innenpolitischen Operationen – ebenso wie China, der Iran und andere Diktaturen – auf den völkerrechtlichen Grundsatz der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates zurückziehen und uns eine lange Nase zeigen kann. Sehr viel mehr noch als BSE, MKS und manches mehr sind in der EU die demokratischen Verhältnisse an allen ihren Orten und in allen ihren Aspekten ein grenzüberschreitendes Problem. Dieses Problem muss jenseits aller Politik der staatlichen Kanzleien eine Sache der Bürger sein. Denn ohne ein Zusammenwirken der Zivilgesellschaften der EU-Staaten, ohne ein gemeinsames Europa der Bürger wird die EU keinen Bestand haben.

Schröder hat mit seinem Besuch punktuell nachgeholt, was von den Bürgern Europas gegenüber dem Österreich Haiders auf breiter Ebene versäumt worden ist. Das darf kein Einzelfall bleiben. Deshalb: Auf nach Italien!

Botschafter a. D. und Ex-Büroleiter von Willy Brandt

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