Alle Stile am Start

Fast schon zu abgeklärter HipHop aus Hamburg: Nico Suave im Mojo  ■ Von Eberhard Spohd

Da zieht ein junger Mann aus dem sauerländischen Menden nach Hamburg, und prompt ist es aus mit der Realness im deutschen Hip-Hop. Wenn Nico Suave seine Reime bringt, ist Ehrlichkeit angesagt. Er ist derjenige, der die Dinge richtigstellt. Der mit den für das Genre überraschend selbstkritischen Texten. Der jede Menge Fehler und Jugendsünden zugibt. Und der Geschichten zwischen Tragik und Komik erzählt, in denen er nicht immer gut wegkommt: Von seiner schlimmen Jugend und seiner beknackten Lehrstelle bei BMW, wo er lernte, Krawatten zu binden. Bei Frauen hat er kein Glück, aus Kneipen fliegt er raus, und auf der Straße rennt er auch noch in eine Gruppe Rüpel, die ihn verprügeln will.

Doch als Deutschlands depressivster Rapper will er sich nicht bezeichnen lassen. „Das ist Mr. Schnabel“, sagt er lachend, und sein DJ Sparc ergänzt: „Das sind diese Geschichten, die jeder kennt, der jugendlich ist oder es mal war.“ Wer jemals eine Lehre gemacht hat, kennt die Erfahrung, dass er der Arsch im Betrieb ist. „Damit kann sich einfach jeder identifizieren.“ Das seien auch alles Geschichten, die er erlebt habe, ergänzt Suave, ein bisschen verdichtet vielleicht und umgeformt, aber wahr. „Hip-Hop ist eine sehr ehrliche, persönliche Musik. Deshalb muss ich mich auch vor nichts verstecken, wenn ich meine Fehler eingestehe. Komischerweise rechnen einem das die Leute sehr hoch an.“

Dass es notwendig ist, im Hip-Hop Ungewöhnliches zu machen, finden auch Suave und Sparc: „Im Moment läuft HipHop in Deutschland ziemlich eingleisig. Da gibt es ganz wenig, was richtig gut ist.“ Aber um sich weiterzuentwickeln, müsse die Musik alle Stile am Start haben. Mit dem Album Suave haben die beiden, zusammen mit ihrem Produzenten Ill Will, einen ziemlich guten Beitrag dazu geleis-tet. Die Musik ist chillig, Jazzelemente manchmal versteckt und manchmal überdeutlich: Auf „Kennst Du das“ bilden Jan-Peter Klöpfels gestopfte Miles Davis-Trompete und die Stimme der Münchner Jazz-Sängerin Esther Adam einen Klangteppich, über dem Nico Suave seine Story von einem verkorksten Abend erzählt. Oder wenn Barry Künzel mit seiner Gitarre aus „Vergesslich“ ein unvergessliches Stück macht. Für die entspannte Atmosphäre sorgt auch das Tempo der Beats: Kein Stück versucht, Geschwindigkeitsrekorde zu brechen, alle bewegen sich um 90 bpm. „Wir haben nicht vorher geplant, wie viele schnelle und langsame Stücke auf die Platte müssen“, sagt Suave, „wir haben es so gestaltet, dass es unserem Musikverständnis gerecht wird.“ Und genau dadurch behält die Platte ihren roten Faden und gehört zu denjenigen, die man entspannt nebenbei oder konzentriert und mehrmals hintereinander hören kann. Für ein Debutalbum fast schon zu abgeklärt, obwohl Suave logischerweise bekennt: „Wir haben auch Fehler gemacht.“

Aber es gibt auch die Momente, in denen Nico Suave nicht so nachdenklich ist. Zum Beispiel auf die Frage, warum bestimmte Themen von gesellschaftlicher Relevanz im HipHop nie auftauchen. Fußball zum Beispiel. „Weil wir alle faule Säcke sind, und weil Weed träge macht“, stellt er sofort klar. Außerdem gebe es natürlich einen Track über Fußball, er sei selbst daran beteiligt gewesen, ein Posse-Stück seiner Westkurven-Crew, und unaufgefordert beginnt er zu rappen: „Der Coach ordert/die besten dieser Sportart/das Publikum fordert/Suave, Position Torwart./Jeder Gegner bekommt prompt nen feuchten Handschlag/auf den Kopf der Hintermannschaft/Ich bleibe immer standhaft.“ Und der Refrain: „Ich und meine Westkurve-Sportskameraden/haben nicht nur heftig Wortschatz, sondern auch mordsstramme Waden.“ Es bewegt sich also noch etwas im HipHop.

mit Mr. Schnabel/Dabru Tack: Donnerstag, 21 Uhr, Mojo Club