ISRAEL MUSS DIE BELAGERUNG DER PALÄSTINENSERGEBIETE BEENDEN
: Waffenruhe allein reicht nicht

Ein Waffenstillstand ist eine feine Sache. Zwei verfeindete Parteien hören auf, sich gegenseitig zu massakrieren, und reden stattdessen miteinander. Den Vorgaben des Mitchell-Berichts folgend, hat deshalb US-Sonderbotschafter Burns Israelis und Palästinenser zur Einstellung der Feindseligkeiten aufgefordert. Der israelische Premierminister Ariel Scharon hat prompt eine einseitige Waffenruhe verkündet, und in der Tat sind in den letzten Tagen die Übergriffe der israelischen Soldaten auf Palästinenser zurückgegangen. Palästinenserchef Arafat hingegen mochte sich zu einem Waffenstillstand nicht durchringen, und so schießen weiterhin palästinensische Heckenschützen auf Israelis, und palästinensische Kamikaze deponieren Bomben, die Israelis in die Luft sprengen sollen.

Das scheint die in Israel weit verbreitete These zu bestätigen, dass Arafat in Wirklichkeit an einem Frieden nicht gelegen ist. Doch ganz so einfach ist es nicht. Zum einen ist nicht ausgemacht, dass tatsächlich alle Palästinenser Gewehr Gewehr und Bombe Bombe sein lassen, nur weil Abu Amr, der Palästinenserchef, dies so anordnet. Schließlich bestehen die Gründe für den Ausbruch der Intifada weiterhin fort.

Zum anderen aber, und das ist der wichtigere Aspekt, lässt ein solcher Waffenstillstand nicht beide Gegner gleichermaßen kriegsmüde in die Sessel sinken. Denn die Bekämpfung der Intifada hat Spuren hinterlassen: Israelische Soldaten stehen mit schwerem, jederzeit wieder einsetzbarem Gerät an den Grenzen der autonomen Palästinenserzonen. Es sind Straßen zerstört, Felder zerpflügt und Olivenbäume abgeholzt worden.

Arafat wird es schwer haben, eine Waffenruhe auszurufen und die Verhandlungen wieder aufzunehmen. Denn die einzige Waffe der Palästinenser gegen die von den Israelis geschaffenen Fakten sind die Steine. Er wird es dennoch versuchen müssen, denn sonst bleibt nur der Krieg. Wenn Scharon den Krieg wirklich vermeiden will, dann wird er seinerseits den Griff um den palästinensischen Hals lockern müssen. Gleich, nicht erst in vier Wochen. ANTJE BAUER