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Protest in Hanau

Kurdischem Kriegsdienstverweigerer droht die Abschiebung aus Deutschland in die Türkei

FRANKFURT taz ■ Zum ersten Mal haben gestern Mittag in Deutschland türkische Kriegsdienstverweigerer vor einem Gefängnis demonstriert. Sie protestierten in Hanau gegen die drohende Abschiebung des 22-jährigen Kurden Sedat Baydemir, der dort seit vergangener Woche in Abschiebehaft saß. Er konnte seine Abschiebung bisher nur verhindern, weil er einen Schlüssel verschluckte. In der Nacht vor der Demonstration wurde er in die Haftanstalt Weiterstadt verlegt.

Baydemir drohen in der Türkei Folter und Haft, weil er sich in Deutschland gegen den Dienst mit der Waffe in der Türkei engagierte. Baydemir stammt aus dem Südosten der Türkei. Schon dort habe er, erzählte er Freunden, dagegen protestiert, dass Kurden von der türkischen Armee gezwungen werden, als „Dorfschützer“ gegen ihre eigenen Familien zu agieren.

Am 1. Dezember 2000 demonstrierte Sedat Baydemir zusammen mit 40 anderen türkisch-kurdischen Kriegsdienstverweigerern vor dem türkischen Konsulat in Hannover und erklärte öffentlich: „Ich möchte nicht, dass das türkische Militär mich als eine Tötungsmaschine benutzt.“ Einen Tag später berichtete Hürriyet ausführlich über diese Aktion, denunzierte die Teilnehmer als PKK-Mitglieder und „Separatisten“. Es seien, so das Blatt, auch Flugblätter verteilt worden, aus denen es jene Passagen nachdruckte, die in der Türkei über die PKK-Unterstützung hinaus strafrechtlich relevant sind, weil sie die Militäreinsätze als „Krieg gegen das kurdische Volk“ benennen.

Pro Asyl und der Verein Connection e.V., der international Kriegsverweigerer und Deserteure unterstützt, fürchten um das Leben von Baydemir. Sein Asylantrag wurde abgelehnt, einen Nachfolgeantrag vom Februar 2001 beschied das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 24. April abschlägig. Kriegsdienstverweigerung, so die Begründung, allein reiche nicht aus. Ein Verfolgungsinteresse des türkischen Staates sei nur zu erwarten, wenn „der Inhalt dieser Erklärung auch als Anstiftung zu konkreten separatistischen Aktionen ... oder als Unterstützung illegaler Organisationen gewertet würde“.

Der Türkeiexperte und Dokumentarfilmer Kamil Taylan widersprach dieser Auffassung. In der Türkei würden Menschen schon wegen wesentlich geringerer Vergehen verurteilt, meist reiche schon der Vorwurf der „Unterstützung der PKK“.

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