Vorurteile überleben lange

34 Jahre kämpften japanische Frauen gegen immer neue Vorurteile für die Bewilligung der Antibabypille. Seit zwei Jahren ist sie auf dem Markt und wird kaum genutzt

TOKIO taz ■ Es waren 21 Männer und drei Frauen, die 1999 in einem Ausschuss des japanischen Gesundheitsministeriums saßen, der die Bewilligung für die Antibabypille sprach. Japan war damals neben dem Vatikan das einzige Land, das die niedrig dosierte Antibabypille noch nicht zugelassen hatte. Schon 1965 hatten Frauenorganisationen den ersten Anlauf für eine Zulassung versucht, ohne Erfolg.

Erst wurden die negativen Nebenwirkungen als Gegenargument benutzt und eine mächtige Ärztelobby half tatkräftig mit, die Pille zu verteufeln. Schließlich profitierten sie von der hohen Abtreibungsrate (300.000 pro Jahr) und dem Recht, hoch dosierte Antibabypillen an Frauen zu verschreiben, die auf halblegale Weise mit der Pille verhüten wollten. Als 1990 ein zweiter Anlauf für die niedrig dosierte Pille gestartet wurde, mauerte dieselbe Lobby mit den Argumenten, dass mit der Pille die HIV-Ansteckungen sprunghaft zunehmen könnten. Die damals geringe Zahl von HIV-Infizierten auf der Insel wurde auf den weit verbreiteten Gebrauch von Kondomen (80 Prozent) als Verhütungsmittel zurückgeführt.

Selbst 1999 stand die Zulassung wieder auf der Kippe. Diesmal führten die Gegner die tiefe Geburtenrate in Japan als Argument an. Frauen warfen der Regierung vor, an einer geheimen Agenda festzuhalten, die die Geburtenrate steigern sollte. Die scharfe Kritik half.

Obwohl Frauenzeitschriften seit 1999 den Gebrauch der Pille auf Spezialseiten erklären, ist das Verhütungsmittel noch wenig in Gebrauch. Frauen können nicht offen über die Pille reden, weil ein neues Vorurteil verbreitet wird. Danach werde die Pille von Frauen, die im Sexgewerbe tätig sind, als zusätzliche Sicherheit vor der Schwangerschaft eingesetzt. So bleiben das Kondom und die heimliche Abtreibung die wichtigsten Verhütungsmittel in Japan. ANDRÉ KUNZ