Es gibt wieder Hoffnung auf Frieden

Die makedonische Regierung kommt den Albanern entgegen und kündigt eine Verfassungsreform an. Albanisch soll zweite Amtssprache werden, eine Amnestie für die Kämpfer der UÇK wird in Aussicht gestellt. Eine Reaktion der UÇK steht noch aus

aus Skopje ERICH RATHFELDER

Erstaunen, Unglauben und verhaltene Freude löste gestern in Skopje die Nachricht aus, die Verfassung des Staates Makedonien solle geändert werden. Die Ankündigung des Staatspräsidenten Boris Trajkovski und seines Premierministers Ljubco Georgievski vom Mittwoch bedeutet nämlich, dass wesentliche Forderungen der albanischen Minderheit erfüllt werden. Ist damit die Tür für echte Friedensverhandlungen aufgestoßen, wird der Krieg in Makedonien bald beendet sein? Die moderaten Kräfte beider Seite hoffen es.

Die Verfassungsreform soll nach den Worten Georgievskis in drei Monaten abgeschlossen sein. Albanisch soll zweite Amtssprache werden. Es soll eine Amnestie für die Kämpfer der UÇK nach dem Modell Südserbiens ausgerufen werden. Für jene, die abziehen wollen, wird ein Korridor nach Kosovo eröffnet.

In den Cafés der Hauptstadt gab es kurz nach dem Statement der Staatsspitze nur ein Thema. „Wenn das stimmt, dann ist der Krieg vorbei“, rief Vijosa, eine 23-jährige Studentin aus Tetovo. Viele albanische Makedonier freuten sich. Dagegen blieben viele slawische Makedonier stumm. Bisher hatten die Parteien und die slawisch-makedonische Öffentlichkeit Konzessionen an die albanischen Mitbürger ausgeschlossen.

„Die Regierung macht ohnehin, was sie will“, sagte Zoran, ebenfalls Student. Und ein makedonischer Journalist, von dem man flüstert, er hätte in Kumanovo mit einem Artilleriegeschütz auf die „Terroristen“ geschossen, wollte die Nachricht nicht glauben. „Die Ausländer haben unsere Regierung dazu gezwungen.“

Mit dem Besuch von EU-Außenminister Javier Solana am Montag und der Nato-Tagung in Budapest wurden die Weichen in diese Richtung gestellt. Solana gelang es, die in der Regierung der nationalen Einheit befindlichen albanischen Parteien DPA und PPD zu überzeugen, öffentlich von dem gemeinsamen Papier mit der UÇK abzurücken.

In dem Statement, das in der vergangenen Woche unterzeichnet wurde, war von den Albanern u. a. die Veränderung der Verfassung, die Anerkennung des Albanischen als zweite Amtssprache und die Öffnung der öffentlichen Institutionen auch für albanische Mitarbeiter gefordert worden. Überdies war darin festgelegt, die Gemeinden zu stärken, UÇK-Kämpfer zu amnestieren und den Wiederaufbau der zerstörten Dörfer finanziell zu unterstützen. Das waren zwar keine unerfüllbaren Forderungen, Solana bestand jedoch darauf, die UÇK von dem Verhandlungsprozess auszuschließen.

In der Sache blieben die Albanerparteien bei ihren Forderungen, erklärten jedoch am Dienstag, dass sie in dem gemeinsamen Papier der UÇK die Konzession abgerungen hatten, die Integrität des makedonischen Staates zu akzeptieren. Auch jene, dass es keine militärische Lösung in Makedonien geben dürfe. Sie würden weiter Kontakte mit der UÇK unterhalten, als Statement von Regierungsparteien und der UÇK sollte das Papier aber nicht mehr gelten.

Damit war der Weg frei für die Erklärung der Staatsspitze am Mittwochabend, die inhaltlich die meisten Forderungen der Albaner akzeptiert und noch einmal bekräftigt, dass Makedonien ein multikultureller Staat in festgelegten Grenzen sei. Andere Forderungen der Albaner wie jene nach dem Konsensprinzip in bestimmten Regionen, wenn ethnische Rechte berührt seien, wurden von Georgievski und Trajkovski in ihrem Statement nicht berührt. Wie aus diplomatischen Kreisen verlautet, seien diese Forderungen so „undurchdacht“, dass die Albaner nicht auf ihnen bestehen sollten.

Für die internationale Gemeinschaft kommt es nach den Worten des Chefdiplomaten der zivilen Strukturen der Nato in Makedonien, Botschafter Hansjörg Eiff, vor allem darauf an, die UÇK zu zwingen, ihren bewaffneten Kampf aufzugeben und gleichzeitig die slawisch-makedonische Seite zu Konzessionen zu bewegen, die ein weiteres Zusammenleben der Bevölkerungsgruppen in Makedonien möglich machen. Über die Strategie, diese Ziele zu erreichen, war es in der letzten Woche innerhalb der internationalen Strukturen zu Konflikten gekommen. Die US-amerikanischen Unterhändler Frowick und Foley wollten die UÇK in die Verhandlungen einbinden, die Europäer und die Nato jedoch wollten der UÇK keine Möglichkeiten bieten, sich als politischer Faktor ins Spiel zu bringen. Die Ausweisung der beiden Amerikaner führte zu einem diplomatischen Eklat.

Noch hat die UÇK nicht reagiert. Jedoch muss ihrer Führung klar sein, dass es ein zweites Kosovo nicht geben wird, sie nicht mit der Duldung durch die internationale Gemeinschaft rechnen kann. Immerhin hat die UÇK schon vor zwei Wochen ihre Bereitschaft bekundet, sich zu demobilisieren, wenn die wesentlichen Forderungen der Albaner verwirklicht würden. Manche Kämpfer im Felde aber denken anders. Sie hoffen auf die territoriale Teilung des Landes.

Auch die Nationalisten der makedonischen Seite hängen solchen Gedankenspielen an, wie erst kürzlich nach einem Treffen von Wissenschaftlern der Akademie der Wissenschaften deutlich wurde. Die makedonische Führung wird es schwer haben, die in Kriegsstimmung hochgepeitschte slawische Bevölkerung zu beruhigen und von dem Sinn des Kompromisses zu überzeugen. Mit dem Versprechen der internationalen Seite, Makedonien an die EU und die Nato heranzuführen, setzen die Moderaten auf Vernunft.

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