Sauber boxen und richten

In Belfast geht es ab morgen bei den Weltmeisterschaften nicht nur um Medaillen, sondern für den skandalgewohnten Amateurboxsport auch darum, das angeschlagene Image zu verbessern

von KNUT HENKEL

Werbung für den Amateurboxsport erhofft sich der deutsche Coach Helmut Ranze von den am Sonntag beginnenden Weltmeisterschaften in Belfast. „Die Olympischen Spiele waren wegweisend nach den Skandalen der letzten WM in Houston. Endlich wurden die Treffer wieder sauber analysiert“, sagt der 53-jährige Nationaltrainer, der mit einer jungen Mannschaft nach Irland reiste. Zu den wenigen erfahrenen Faustkämpfern der deutschen Staffel gehört Schwergewichtler Sebastian Köhler, der in Sydney eine gute Figur machte und erst gegen den späteren Olympiasieger Félix Savón unterlag.

Für Ranze sind die Deutschen in Belfast, um zu lernen. Kuba, Russland, die Ukraine, Kasachstan und Usbekistan sind für ihn die favorisierten Nationen. Hinzu kommt noch der eine oder andere herausragende Einzelkämpfer. Die USA hat er hingegen nicht auf dem Zettel, „für die hat die WM nicht den Stellenwert, für die USA zählt nur Olympia“, erklärt er. Erklärtes Ziel aus deutscher Perspektive ist es, die Favoriten zu ärgern, denn „Überflieger wie Félix Savón haben wir nicht im Team“, sagt er.

Savón, der Ausnahmeboxer der letzten Dekade, wird auch in Irland dabei sein. Allerdings wird er sich nicht mehr die Boxhandschuhe über die zerschundenen Hände streifen, sondern in der Ringecke Platz nehmen. Der sechsfache Weltmeister betreut seinen Nachfolger Odlanier Solís. Dem gelang das Kunststück, den nahezu unbesiegbaren Savón gleich zweimal auf die Bretter zu schicken und für die Kubaner ist er eine echte Medaillenhoffnung – ein legitimer Nachfolger des „Giganten aus Guantánamo“.

Kuba schickt eine rundum erneuerte Staffel in den Ring. Acht neue Gesichter hat Sarvelio Fuentes, seit Januar amtierender Chefcoach, in die Staffel berufen. Für Ranze, der die Equipe von der Zuckerinsel ganz oben auf seiner Favoritenliste hat, ein normaler Umbruchprozess. Doch mit dem Abgang von Alcides Sagarra, der kubanischen Trainerlegende, hatte auch er nicht so recht gerechnet. Sagarra ist mit seinen 65 Jahren nicht mehr der jüngste und wies nach 36 Jahren im Trainerstab ähnlich wie sein prominenter Schützling Félix Savón Verschleißerscheinungen auf. Auf der anderen Seite werden Rumliebhaber Sagarra Zerwürfnisse mit anderen Trainern nachgesagt, die sich vom Boxguru als Zuarbeiter degradiert fühlten. Im kubanischen Trainerkollektiv war Zwist eingekehrt, und Sagarra wurde auf den Platz des Präsidenten der technischen Kommission weggelobt.

Dort muss er sich nun mit den Funktionären des Internationalen Verbandes (AIBA) herumschlagen, die Sagarra spätestens seit der WM in Houston ins Herz geschlossen hat. Dort war es nach etlichen merkwürdigen Entscheidungen gegen die Kubaner zum Eklat gekommen, nachdem die Punktrichter auch noch Juan Hernández Sierra im Finalkampf benachteiligt und dessen klar unterlegenen Gegner Timur Gaidalow zum Sieger erklärt hatten. Die kubanische Staffel verließ, angeführt vom vor Wut schäumenden Sagarra, die Halle und flog vor dem zweiten Finaltag nach Havanna zurück.

Für die Reaktion der Kubaner hat Ranze Verständnis. Doch nach Olympia, wo die Punktrichter per Video überwacht wurden, hofft er, dass derartige Skandale der Vergangenheit angehören. Allerdings hat sich in der AIBA wenig verändert. Es sind immer noch die gleichen Herren um den Präsidenten Anwar Chowdhry, die die Geschicke des verrufenen Verbandes bestimmen. Die Vorwürfe von Bestechung und Manipulation wollen nicht verstummen und Schmiergelder für Punktrichter hat es in mehr als einem Fall gegeben. Die werden nach wie vor nach einem Länderschlüssel berufen und nicht nach Qualifikation, wie es Ranze fordert, der für einen Generationswechsel in der AIBA eintritt. Doch der wird frühestens 2002 kommen – dann wird neu gewählt.

Einen weiteren Eklat können sich Chowdhry und Co. allerdings nicht leisten. Das Amateurboxen steht nämlich unter Beobachtung des IOC, und die WM von Belfast ist auch eine Art Bewährungsprobe für den Verband. Ohne Skandale steigen die Chancen, auch zukünftig bei Olympia dabei zu sein.