embryonenschutz
: Stammzellen- Import

Eine Glanzstunde des Bundestages – das war die vorherrschende Meinung nach der parlamentarischen Debatte zur Biopolitik in dieser Woche. In ihr hatten sich viele Volksvertreter jenseits aller Fraktionszwänge kritisch bis ablehnend zum Umgang mit Reagenzglas-Embryonen geäußert. Wolfgang Clement ist das egal. „Lass sie doch quasseln“, wird sich der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen gedacht haben. Und obwohl seit Monaten heftig darüber gestritten wird, ob wir überhaupt an Embryonen forschen dürfen, schaffte er die Voraussetzungen für den schnellen Einstieg in das Vorhaben.

Kommentarvon WOLFGANG LÖHR

Erst hat Clement an der Uni Bonn einen neuen Lehrstuhl geschaffen, zu dessen Aufgaben vor allem die Stammzellforschung gehört. Das allein ist ihm noch nicht vorzuwerfen. Immerhin gibt es in dieser Forschungsrichtung noch einen hoffnungsvollen, ethisch nicht belasteten Ansatz: die Arbeit mit adulten Stammzellen, zu deren Herstellung keine Embryonen verbraucht werden. Doch dann offenbarte Clement auf seiner Israel-Reise, was er tatsächlich will. Der Ministerpräsident schlug vor, eine Lücke im Embryonenschutzgesetz zu nutzen. Die von einigen Forschern so heiß begehrten Stammzellen sollen aus Ländern importiert werden, in denen die verbrauchende Embryonenforschung durch weniger restriktive Gesetze geregelt ist. Ein solcher Import der Stammzellen ist nämlich – obwohl ethisch umstritten – nach deutschem Recht legal.

Nur: Das nimmt der Sache nicht ihren schalen Beigeschmack. Schießlich ist die Importfrage auch in der Bundestagsdebatte angesprochen worden. Und nicht wenige Redner haben deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es nicht angehen könne, hierzulande Zelllinien zu nutzen, deren Herstellung in Deutschland verboten ist. In dieser Diskussion darf auch der vom Kanzler einberufene nationale Ethikrat nicht fehlen. Nur: Bisher hat sich das Beratergremium noch nicht getroffen. Mit Clements Vorstoß kann der Rat seinen ersten Punkt, die Importfrage, aber eigentlich schon ad acta legen. Warum sollte es sich mit einem Problem beschäftigen, das zumindest in Nordrhein-Westfalen schon längst entschieden ist. Das „Nationale“ an dem Ethikrat kann dann auch gleich mit entsorgt werden. Denn der NRW-Chef zeigt deutlich, was er von dem Beratergremium, das unter anderem die von allen geforderte breite gesellschaftliche Debatte unterstützen soll, hält: nichts.

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