„So löst man keine Probleme!“

Offener Brief an einen Event-Unternehmer, dessen Mutter sehr, sehr besorgt ist

Ihre Mutter hat völlig Recht. Hören Sie auf, vergessen Sie Ihr „amerikanisches Konzept“!

Lieber Matthias Thieme,

Sie sind Schauspieler und Model und haben vor einem Jahr die Model-Agentur „Fine Event Modeling“ ins Leben gerufen. „Fine“, so erklärte es mir neulich eine Werbedame ungefragt am Telefon, steht für „Face is not enough“. Und weil Ihnen das noch nicht genug war, haben Sie sich im Torhaus am Robert-Koch-Platz eingemietet und dort alles aufgefahren, was Ihnen in der Werbebranche der Hauptstadt Reputation verschaffen sollte. Zur Eröffnung wurden die Gäste in von Ihnen gemieteten Limousinen herangekarrt, der Boden Ihres Etablissements war mit Meeressand bestreut und Sie, lieber Matthias Thieme, quasselten laut Berliner Zeitung etwas von einem „amerikanischen Konzept“, das Sie verwirklichen wollten, wenn Sie „Präsentationen für Produkte organisieren“.

Ihr peinliches Treiben wäre mir herzlich gleichgültig geblieben, wenn ich nicht Ihr Namensvetter wäre und seit gut einem halben Jahr für die kleinen Rückschläge Ihres „amerikanischen Konzepts“ verantwortlich gemacht würde. Die anfangs noch halbwegs höflichen telefonischen Anfragen verschiedener Handwerker nach ausbleibenden Zahlungen – geschenkt. Auch die drohender werdenden Anrufe verschiedener Fotografen, Kostümverleiher und Agenturfuzzis liegen schon etwas zurück. Da Sie inzwischen aber völlig abgetaucht zu sein scheinen, bricht jetzt der geballte Zorn der Geprellten über mich herein. Seit gut drei Monaten schreien mit Vorliebe gegen 7.30 Uhr aufgebrachte Gläubiger auf meinen Anrufbeantworter. Alle Beteuerungen, ich sei ich und nicht Sie, führen bei diesen zornigen Menschen nur zu verstärktem Misstrauen und weiteren frühmorgendlichen Anrufen. Ans Telefon gehe ich nicht mehr.

Doch auch auf postalischem Weg erreichen mich fast täglich erschreckende Dokumente Ihres grandiosen Scheiterns. Im Moment sind es hauptsächlich Rechtsanwälte und Vertreter irgendwelcher Inkassofirmen, die den Kontakt suchen. Vielleicht interessiert es Sie ja noch am Rande, dass ein „Bolidt Kunststoffvertrieb“ vor dem Amtsgericht Hagen 50.228,90 Mark oder 25,681,63 Euro von Ihnen einklagt und ich für Sie keinen Widerspruch eingelegt habe. Außerdem sollten Sie sich bis zum 12. Juni bei der netten Firma „Dr. Duve Inkasso“ in Hannover melden, die einen sehr lustigen Briefkopf mit einem drohenden Auge hat. Einschreiben hole ich nicht mehr von der Post ab. Dumm nur, dass ich auch ab und zu mal einen Amtsbrief bekomme und wegen Ihnen langsam alles durcheinander gerät. Zermürbend auch, dass an manchen Tagen mehr Post für Sie als für mich da ist.

Vielleicht gibt es Sie ja gar nicht, dachte ich neulich, doch heute morgen wurde ich von der Stimme Ihrer Mutter geweckt. Sie existieren also doch. Zumindest haben Sie eine Mutter. Die ist ganz schön besorgt. Und mein Anrufbeantworter voll: „Ich dachte, du hast kein Telefon, aber ich hab gleich gewusst, dass das nicht stimmt. Wir haben kein Miststück in die Welt gesetzt. Wenn überhaupt, dann wird man dazu irgendwie. Bis zu einem gewissen Lebensalter ... Du bleibst immer unser Kind. Was du machst, das hast du alleine zu verantworten. Das geht unter die Gürtellinie. So löst man keine Probleme.“ Und damit, Matthias Thieme, hat ihre Mutter völlig Recht. Hören Sie auf, vergessen Sie Ihr „amerikanisches Konzept“! So löst man keine Probleme. Falls Ihre arme Mutter noch mal anruft, werde ich den Hörer abnehmen und einen kleinen Einkaufsbummel vorschlagen. Treffpunkt: Galerie Lafayette. Zahlungsmittel: Ihre kürzlich in meinen Besitz gelangte Kreditkarte.

Mit herzlichen Grüßen, Ihr

MATTHIAS THIEME