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Diskursive Kämpfe um den Kulturentwicklungsplan

■ Staatsrätin Motschmann will auch mal gelobt werden. Doch die Kunstschaffenden sehen den KEP als „Vernichtungsschlag“

„Papier ist geduldig – ich bin es nicht.“ Hermann Stuzmanns Kommentar zum Kunstteil des Kulturentwicklunsgplanes war kurz und vernichtend. Auch von der dazugehörigen Diskussion, zu der ihn Senator Schulte auf's Podium in der Städtischen Galerie geladen hatte, hielt der Gruppe-Grün-Galerist nur das: „Sie stehlen uns unsere Zeit.“

Enttäuschung, Ärger und Frustration herrschte auch unter den anderen anwesenden Kunstschaffenden vor – nur nahmen sie sich für deren Begründung mehr Zeit. Hanne Zech vom Neuen Museum Weserburg: „Man ist versucht, zynisch zu reagieren. Es gab schon so viele Bestandsaufnahmen und Diskussionen über die bildenden Künste in Bremen – doch davon findet sich im vorgelegten Planungsentwurf fast nichts wieder.“

Dafür liest man dort immer wieder die Empfehlung, Finanzierungslücken durch Sponsor-Akquise zu schließen. Architekt Eberhard Kulenkampff kommentierte: „Außer den Projekt- auch die Betriebsmittel durch Sponsorengeld ersetzen zu sollen, ist schlicht unmöglich.“ Doch genau in diese Situation kommen Institutionen wie der Künstler-Berufsverband BBK und der Künstlerinnenverband Gedok nach Aufassung vieler Kunstschaffender, wenn die im Plan vorgesehene „Umstellung auf Projektförderung“ greift.

Auch die Ausweitung der Freiwilligenarbeit gehört zu den im KEP skizzierten Maßnahmen, die bei KunstorganisatorInnen lediglich Kopfschütteln hervorrufen. Eine Blaumeier-Mitarbeiterin: „Als Bezahlte hat man gegenüber den vielen Ehrenamtlichen schon jetzt fast ein schlechtes Gewissen.“ Barbara Claassen-Schmal von der Galerie für Gegenwartskunst setzte hinzu: „Auch die Selbstausbeutung der Künstler und Künstlerinnen ist nicht mehr steigerbar.“ Eberhard Kulenkampff sieht den „Vernichtungsschlag gegen die Bremer Kultur“ in Form des KEP nicht zuletzt gegen die Kunst im öffentlichen Raum geführt: „Obwohl sie seit 1970 aus Bremen eine Stadt auch der bildenden Künste gemacht hat, finden sich dazu im KEP ganze sechseinhalb Zeilen, in denen gepflegt nichts drin steht.“

Doch auch die Passagen, in denen der Plan etwas „Fleisch“ (Schulte) aufweist, bereiten den KünstlerInnen eher Sorge. Eva Schmidt von der in letzter Zeit arg gebeutelten Galerie für Aktuelle Kunst: „Dass der Museumsteil schon wesentlich ausgearbeiteter ist als der über die Ausstellungs-Institutionen ohne eigene Sammlungen, bestärkt unsere Befüchtung, dass hier Hierarchien fortgeschrieben werden.“

Die Korrekturbedürftigkeit des Plans gestand im übrigen auch Senator Schulte ein – wie auch schon in den vorangegangenen Gesprächsrunden: „Der KEP ist unter großem Zeitdruck entstanden. Eigentlich hätten wir ein Jahr mehr gebraucht.“ Zugleich machte er deutlich, wie eingeschränkt seine eigenen Erwartungen an das Papier sind: „Mir geht es darum, dass der Plan die technische Machbarkeit des kulturellen Status quo in Bremen beweist.“ Doch die Kunstszene vermisst schmerzlich – ganz abgesehen von den Zweifeln an Schultes Bestandsgarantie-Behauptung – weitergehende Visionen und Zielbestimmungen. Anne Schlöpke von der Künstlerinnenvereinigung Gedok machte deutlich: „Es kann nicht Aufgabe eines Kulturentwicklungsplanes sein, aufzulisten, vermittels welcher Events die Bremer Hotels gefüllt werden können. Das gehört in einen Wirtschaftsförderungsplan.“

Gemeinsame Auffassungen also waren dem Diskussionsprozess eher fremd. Kulturstaatsrätin Elisabeth Motschmann vertiefte die Kluft, indem sie resümierend meinte, von den Kulturschaffenden nur „Jammerei“ gehört zu haben. Dabei wäre sie doch gerne auch mal gelobt worden: „Ich bin von dieser Diskussion enttäuscht. Dabei ist das durchaus kein Trauerspiel, was wir hier veranstalten.“ HB

Der nächste Akt findet heute, Donnerstag, um 16 Uhr zum Thema kulturelle Bildung in der Krimibibliothek der Stadtbibliothek, Vor dem Steintor 37, statt.

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