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: Deutsche Diplomatie in Nahost

Fischer kann nur etwas erreichen, wenn er Israel auch kritisiert

Wer fischen will, braucht Glück. Joschka Fischer hatte es. Zufälligerweise war er gerade bei Jassir Arafat, als der palästinensische Präsident beschloss, einen Waffenstillstand zu erklären. Der norwegische UNO-Beauftragte, Teria Larssen, kam auch gerade an.

Auf seine arabische Art beteiligte Arafat seine Gäste an der Arbeit. Fischer und Larssen durften kommentieren und Ratschläge geben. Dann hatte Larssen einen Einfall: Vielleicht könnte Herr Arafat seine Erklärung zwischen Fischer und Larssen stehend abgeben?

Das passte Arafat genau. Denn eines seiner wichtigsten Ziele ist es, internationale – und besonders europäische – Kräfte einzuschalten, um den Amerikanern die Rolle des alleinigen Schiedsrichters zu verwehren. Da die Amerikaner fast vollständig auf israelischer Seite stehen, wollen sich die Palästinenser nicht auf sie verlassen. Wer wird entscheiden, ob der Waffenstillstand gebrochen worden ist und von wem? Oder später, wenn es doch zur Einstellung der Siedlungstätigkeit kommen soll, wer wird entscheiden, ob Scharon das auch einhält?

Am liebsten hätten die Palästinenser eine internationale Friedenstruppe. Dagegen haben die Amerikaner, auf Wunsch der Scharon-Peres-Regierung, Veto eingelegt. Das Zweitbeste wären internationale Inspektoren. Da kamen Fischer und Larssen gerade im richtigen Augenblick. Schon ihr Dabeisein war eine Art Internationalisierung. Dafür bekamen die beiden den schmeichelhaften Nimbus, als Staatsmänner mitgewirkt zu haben. Kann ein deutscher Außenminister tatsächlich eine Rolle spielen? Wohl kaum. Bei diesem Besuch hat Fischer Israel mit keinem einzigen Wort kritisiert. Er hat die Parolen der israelischen Regierung, die von ihrem rechtsradikalen Flügel beherrscht wird, einfach wiederholt. Kein Wort über den palästinensischen Volksaufstand gegen die Besatzung, viele Worte über den blutigen Terroranschlag, den ein Islamist zufällig direkt vor Fischers Hotelfenster verübt hat.

Solange deutsche Politiker die Verantwortung für den Holocaust so auslegen, dass kein Deutscher Kritik an Israel äußern darf, auch nicht an Taten, die zum Himmel schreien und die von vielen Israelis verdammt werden, kann Deutschland keine wirkliche Rolle in unserem Konflikt spielen. Es sollte sich zurückhalten und es Europa überlassen, internationale Verantwortung zu übernehmen – und Inspektoren zu schicken, die den Waffenstillstand überwachen. URI AVNERY

Publizist in Tel Aviv, ehemaliger Abgeordneter der Knessetnachrichten SEITE 2, inland SEITE 7ausland SEITE 11