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Schrill, schräg und nur verhalten politisch: 50.000 TeilnehmerInnen jeglichen Geschlechts beim CSD  ■ Von Magda Schneider

Zum Flagge zeigen, nämlich das Regenbogenbanner auf dem Rathausdach zu hissen, dazu hatten sich Hamburgs rot-grüne Koalitionäre wegen rechtlicher Bedenken nicht durchringen können. Doch ihr Fähnchen in den Wind zu hängen und in der schwul-lesbischen Parade am Christopher Street Day am Sonnabend ein wenig mitzutippeln, dazu war die Polit-Prominenz im Wahljahr 2001 gerne bereit – auch wenn es nur die ersten tausend Meter waren. Vorneweg in seinem gewagten Drag-Outfit (gedeckter Einreiher) SPD-Bürgermeister Ortwin Runde, dahinter, gewohnt schrill (Kordhose, Jäckchen), die 2. Bürgermeisterin und grüne Gleichstellungssenatorin Krista Sager. Sozialsenatorin und Ex-DGB-Hardcore-Lady Karin Roth musste vor dem SPD-Doppeldeckerbus „Rechte Bayern verweigern uns die Rechte“ ebenso Einsatz gegen Diskriminierung zeigen wie Grünen-Chefin Antje Radcke und Partei-Guru Rezzo Schlauch auf dem GAL-Truck.

Über 50.000 Menschen nahmen an der traditionellen CSD-Parade „Anders ist richtig rum“ durch die Hamburger City teil – ebenso viele säumten die Straßen zwischen Innenstadt und Hafenrand. Doch nicht das Spektakulär-Schrille prägte diesmal den Umzug, sondern mehr die ausgelassene Stimmung.

Der Transvestit in Netzstrümpfen, der auf 30 Zentimeter hohen Plateausohlen mitbalancierte, die Lesbe, die ihre barbusige Gefährtin am Gängelband führte, der Gay im hautengen Body oder der Transsexuelle, dem der neugeformte Busen aus der Korsage quoll, waren eher die Ausnahme. Stattdessen tanzten Männer und Frauen ausgelassen mit- und untereinander. Und zur schwul-lesbischen Ausgelassenheit gehörten natürlich – neben den obligatorischen Techno-Klängen – Abbas „Dancing Queen“ oder Marianne Rosenbergs „Er gehört zu mir“.

Die Stimmung hätte auch anders sein können, denn erst vor kurzem hatte Hamburgs Polizei wieder einmal deutlich gemacht, dass – trotz Homoehe – die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Beziehungen noch immer zur Normalität gehört. Doch die Razzien, die die Polizei in Begleitung der Boulevardpresse wegen eines Mordes in zwei Kiez-Kneipen durchgeführt hatte, sowie die Speichelproben, die von allen dort Angetroffenen zwecks DNA-Analyse entnommen wurden (taz berichtete mehrfach), wurden nur von einer Gruppe thematisiert: Weil DNA-Analysen nur auf richterliche Anordnung bei dringend Tatverdächtigen entnommen werden dürfen, dränge sich im Zusammenhang mit der derzeitigen Diskussion über Genmanipuliation die Vermutung auf, der Mord werde genutzt, „um schon mal genetische Daten von 200 Schwestern zu sammeln ...“, hieß es in einem Flugblatt.

Doch für solche Gedanken war angesichts von Konfetti- und Kondom-Regen, Musik und reichlich Sekt bei vielen am Samstag kaum Platz. Dort lautete der kleinste Nenner: „Liebe ist ein Menschenrecht.“

Fotos: Markus Scholz