Hoch gestellte Mordkumpane

Wer den tödlichen Schlag gegen den guatemaltekischen Weihbischof Gerardi führte und wer den Mord an ihm in Auftrag gab, blieb auch nach dem Urteil noch unklar

Menschenrechtler werten das Urteil dennoch als „mutigen Schritt“ und als „Anfang des Endes der Straffreiheit für Militärs“

SAN SALVADOR taz ■ Das Urteil ist gesprochen, aber der Fall noch nicht geklärt. Am Freitag verurteilte ein Gericht in Guatemala drei Militärs und einen Pfarrer wegen des vor gut drei Jahren begangenen Mords an dem Weihbischof und Menschenrechtler Juan Gerardi. Jeweils 30 Jahre Haft erhielten der frühere Chef des militärischen Geheimdienstes Byron Lima, sein Sohn Disrael Lima und Obdulio Villanueva – zwei von ihnen waren Leibwächter des damaligen Präsidenten Alvaro Arzú. Der Priester Mario Orantes, Gerardis Mitbewohner im Pfarrhaus, wurde zu 20 Jahren Haft verurteilt, ihre gemeinsame Haushälterin Margarita López freigesprochen.

Letztlich aber weiß niemand außer den Tatbeteiligten, wer den Betonklotz in der Hand hielt, mit dem der damals 75-jährige Bischof in seinem Haus in Guatemala-Stadt in der Nacht des 26. April 1998 erschlagen wurde. Und noch weniger weiß man, wer diesen Mord in Auftrag gab.

Gerardi leitete das Menschenrechtsbüro der katholischen Kirche Guatemalas. Zwei Tage vor seinem Tod hatte er einen Bericht über Menschenrechtsverletzungen im Guatemaltekischen Bürgerkrieg (1960–1996) veröffentlicht, über 80 Prozent der aufgelisteten 55.000 Verbrechen der Armee angelastet.

Im Lauf der Ermittlungen über den Mord an dem Bischhof erhielten diverse Zeugen, Richter und Staatsanwälte Todesdrohungen und flohen ins Ausland. Noch am Tag des Prozessbeginns explodierte vor dem Haus einer beteiligten Richterin eine Bombe. Während des Prozesses waren Raubmord, ein Verbrechen aus Leidenschaft und die Vertuschung eines Diebstahls von Kirchenschätzen als mögliche Motive zur Sprache gekommen. Jetzt aber ist das Gericht davon überzeugt: Der Mord war eine „außergerichtliche Hinrichtung“. Das Motiv war politisch: Die Militärs nahmen Rache für den Menschenrechtsbericht.

Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass die drei nun verurteilten Offiziere an dem Mordplan beteiligt und unmittelbar nach seiner Ausführung am Tatort waren. Ob einer von ihnen Gerardi mit eigener Hand erschlagen hat, bleibt ungewiss. Auch von Priester Orantes weiß man nur, dass er Bescheid wusste und die Täter unterstützte und sie ins Haus ließ. Ein Zeuge hätte weiterhelfen können: der damalige Präsident Alvaro Arzú. Schließlich gehörten zwei der Verurteilten zum ausgewählten Kreis seiner Leibwächter. Doch Arzú berief sich auf seine Immunität als Abgeordneter des Zentralamerikanischen Parlaments und schwieg vor Gericht.

In der Urteilsbegründung heißt es, wahrscheinlich seien weitere Mitglieder der Präsidentengarde in den Mord verwickelt. Und wahrscheinlich sei die Tat von ziemlich weit oben angeordnet worden. Das Gericht ordnete weitere Ermittlungen an, unter anderem gegen den damaligen Chef der Präsidentengarde und zwölf weitere Militärs und Zivilisten, bisher allerdings nicht gegen Arzú selbst.

Mit dem Spruch vom Freitag seien die Hintergründe der Tat noch nicht befriedigend geklärt, sagte ein Justizsprecher am Samstag. Auch die katholische Kirche Guatemalas forderte weitere Ermittlungen. Menschenrechtsorganisationen feierten das Urteil dennoch als einen „mutigen Schritt des Gerichts“. Die Arbeit der Rechtsprechung in diesem Fall gilt als Gradmesser für den Entwicklungsstand der Demokratie und die Unabhängigkeit der Gerichte in Guatemala. Der Anwalt Frank La Rue, der kürzlich eine Völkermordklage gegen den Exmilitärdiktator und heutigen Parlamentspräsidenten Efraín Río Montt eingereicht hat, sprach vom „Anfang des Endes der Straffreiheit für Militärs“.

TONI KEPPLER

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