„Struktur muss funktionieren“

Die Atombetreiber wollen aus ihrer bisherigen Versicherung aussteigen.Der oberste deutsche Atomversicherer erklärt, welche Vorteile die hatte

taz: Herr Harbrücker, Sie sind Geschäftsführer der Deutschen Kernreaktor-Versicherungsgemeinschaft. Was versichern Sie?

Dirk Harbrücker: Risiken der Kernenergie im In- und Ausland. Wir sind ein Zusammenschluss von 70 in- und ausländischen Versicherern, der seit 1957 existiert.

Mussten Sie schon einmal zahlen?

Wir waren beteiligt am Schaden im US-Kernkraftwerk Harrisburg im Jahre 1979. Der Sachschaden der Anlage hat die Versicherer 300 Millionen US-Dollar gekostet, die Haftpflichtleistungen für Opfer und Prozesskosten betrugen rund 130 Millionen Dollar. Der tatsächliche Sachschaden, der nur zum Teil versichert war, lag jedoch weit höher. Allein die Kosten für die Entseuchung der Anlage überstiegen eine Milliarde US-Dollar.

Können Sie große Unfälle garantiert finanzieren?

Wenn wir eine Versicherung übernehmen für 3 Milliarden Mark, dann ist die Auszahlung absolut gesichert. Die Sturmschäden in Westeuropa Anfang 1990 haben rund 20 Milliarden Mark gekostet.

Sie hätten noch größere Summen aufbringen können?

Selbstverständlich.

Können Sie effektiver Geld beschaffen als andere Branchen?

Aufgrund ihrer Anlagestruktur haben die Versicherer die Möglichkeit, große Summen auch kurzfristig zur Verfügung zu stellen. Daran sind nicht nur die deutschen Versicherer beteiligt, sondern der Versicherungsmarkt der ganzen Welt.

Was ist notwendig, um die Schäden nach einem Atomunfall zu registrieren?

Sie brauchen einen riesigen Apparat mit sehr vielen professionell gut geschulten Mitarbeitern. Sie müssen die Schäden korrekt bewerten und die Auszahlung an mitunter viele tausend Empfänger managen. Das alles kann Jahre dauern – auch dann muss die Versicherungsinfrastruktur noch funktionieren.

INTERVIEW: HANNES KOCH