Freiheit zwischen Enten

■ Durchgeknallt & ernsthaft zugleich: Mit Lärm, Blut, Schweiß, Witz, Riesendildo & Revue wehren sich „Sixten Trash & his SkøevolutionZoo“ gegen eine ungerechte, angepasste Welt

Sie brauchten keinen CDU-Bildungspolitiker, der ihnen befahl, frühzeitig ins Berufsleben reinzuschnuppern. Bereits mit 12/13 Jahren kamen die meisten der neun Bandmitglieder vom SkøevolutionZoo ganz alleine auf die Idee, sich MC-Mikro, Gitarre oder Graffitispraydose zu schnappen. Zwar findet am Freitag ihr erstes vollständiges Konzert statt, da sie doch leider beim letzten Schulwettbewerb nach einer kleinen Bühnenzertrümmerungsaktion vorzeitig abrechen mussten. Aber jeder Einzelne der 19- bzw. 20-Jährigen hat schon reichlich Auftrittserfahrung. Und wenn Reggaemann Mr. Double-You von Gigs mit dem Soundsystem Freedomsound in den Weserterassen erzählt, wirken sie wie alte, weise Hasen. Oder wenn Shaggy von seinen „Bläton“-Auftritt auf der Sielwallkreuzung beim Viertelfest schwärmt oder sich flunkernd geißelt, er hätte sich „verkauft“, damals, als er sich mit einer „blöden Coverband“ für ein IKEA-Fest buchen ließ.

SkøevolutionZoo ist aber viel mehr als eine Band, besonders seit sie vor zwei Monaten im Parzellenhaus eines netten, alten Herren in der Pauliner Marsch proben dürfen – natürlich nur nachts, um die umliegende Kleingärtnerbande nicht lärmzubelästigen. Für die mal zwei- mal sechsstündigen Sessions dopen sie sich allenfalls mit Ahoi-Brause – bevorzugt mit Kirschgeschmack, „denn wir haben eine Mission, und da braucht's kein Doping.“ Tagsüber, im anderen Leben, malochen die meisten als Zivis. Sir Peter Strom arbeitet in einem Hort – „wo meinst Du, dass ich die Narben an meinen Händen herbekomme, das sind die Zähne meiner wilden Kids“. Shaggy betreut ein hyperaktives Kind – „das muss ansteckend sein, jedenfalls komme ich zur Zeit fast ohne Schlaf aus“.

Später wollen alle irgendwie als Künstler leben und Wayne, ein richtig guter Zeichner von Punkfressen mit Baugerätkonstruktionen im Hirn, hat schon einen Platz an der Amsterdamer Kunstakademie. Peter beginnt in München eine Ausbildung in der Filmbranche. Aber das SKOE-Gesamtkunstding ist für alle die wichtigste Sache. „Bankkaufmann wird von uns garantiert keiner.“

Jeden Abend trifft man sich auf der Terrasse, von dem es sich bequem in die Weser spuckt. Und wenn bei der nahe gelegenen Shell-Tankstelle am Osterdeich die Grundversorgung mit dem guten Neptun-Pils für 0,98 DM, mit Alsterwasser und Wagner-Champignonpizza gesichert wurde, die kleine Hausmaus um die Ecke flitzt, ein Weserkahn seinen Schrott zu den Stahlwerken schippert, wahnsinnige Kanuten ihre Fitness abfeiern und eine hirnlose Ente vergeblich versucht, eine Boje zu besteigen, dann ist das der schönste Ort der Welt. „Wasser tut der Musik gut, das war schon bei den Kellys so“, frotzelt Shaggy. Hinterm Haus langweilen sich Apfelbäume, Akkeleien, gelbe und rote Rosen. Und drinnen feuert ein barockes Kunstledersofa nebst Gusseisenlampe und rosa Wandbemalung die Kreativität an – alles naturbelassen, wie vom alten Herrn ausgesucht. Kein Wunder, dass man an diesem Ort die Normen und Wertvorstellungen dieser Gesellschaft schnell hinter sich lässt.

Zum Gespräch mit der taz hatten die Jungs dummerweise gerade keine Klangproben parat. Macht ja nichts, man kann ja über alles reden. Die Texte sind „deutsch, aber nicht weil die Sprache so schön ist, sondern weil wir was zu sagen haben.“ Nicht dasselbe wie Blumfeld, „die singen auch über Zeug wie Kuscheln“, oder wie Tocotronic, „die sind oft so wehleidig“. Es geht um Gesellschaft, „aber in den seltensten Fällen konkret über AKW, Rinderwahnsinn, Kosovokrieg oder die neue Macht der Wirtschaftsunternehmen, sondern über ein Klima, wo sich jeder nur um sich selber kümmert und das Elend im Haus nebenan oder in der Dritten Welt ignoriert“, meint Sixten Trash, Sänger und Texter der Band. Deshalb mag Shaggy auch die üblichen HipHop-Texte nicht, „wo sich das starke Individuum immer ganz alleine durchschlagen muss.“

„Wir beschweren uns gerne, ausgiebig und gut“, shakert Sixton, „und wenn wir feiern, hängt schon mal ein Bild schief.“ Zu diesem Zweck, so versprechen sie, werden sie auf die Fähigkeiten zurückgreifen, die sie durch ihre Erfahrungen – Judo, Karate, Hockey, Squashen, Einradfahren und Überleben/Sich-durchschlagen – erwarben. „Wir bieten handfeste Bühnenshow.“ Angst kriegt man beim Anblick der Jungs zwar wirklich nicht, aber sind sie erst einmal warmgequasselt, haben ihre Sätze einen richtig guten, rotzigen Flow. Die Musik muss irgendwie zwischen Punk, Glamrock, Reggae und Singer/Songwriter-Balladen torkeln. Dazu gibt's Filmprojektionen. Und man wird erfahren, was ein„20-minütiger hyperaktiver, schizophrener Low-budget-action-Film ohne fortlaufende Handlung, oft skurril, oft respektlos, nackt, mit Menschen, die einfach durch den gewalttätigen Alltag marschieren“, des Skøe-Tochterunternehmens „As trash as possible“ ist. Im Kopf gründen sie gerade den territoriumslosen autonomen Staat Skøe mit eigener Actionssektion, in dem Freiheit das heilige Wort ist. bk

15.6., 20h, mit Glamrevue im Naturfreundehaus Buchtstraße