Kanzler kommt statt Kaiser

Am Samstag in einer Woche beginnt in Erfurt die Fußball-EM der Frauen, bei der die DFB-Kickerinnen den Heimvorteil zur Titelverteidigung nutzen wollen. Das Problem: Bisher weiß kaum jemand davon

von RAINER HENNIES

„Unser Ziel ist die Titelverteidigung“, sagt Bundestrainerin Tina Theune-Meyer, was nichts anderes für die Frauen des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zur Folge hätte als: den fünften Europameistertitel nach 1989, 91, 95 und 97. Der Countdown für dieses ehrgeizige Unterfangen läuft bereits, am übernächsten Samstag (23. Juni) bestreiten die DFB-Kickerinnen das EM-Eröffnungsspiel gegen Schweden. In Erfurt übrigens.

Eine Fußball-EM in Deutschland? In Erfurt? Eine Fußball-EM in Deutschland! In Erfurt! Und in Jena, Aalen, Reutlingen und Ulm, auch wenn die Öffentlichkeit hier zu Lande davon bisher kaum Notiz davon bekommen hat. Und die Chancen für die Titelverteidigung der Deutschen stehen gar nicht so schlecht, schließlich sind die DFB-Frauen das erfolgreichste Auswahlteam in Europa, noch vor Norwegen, dem ehemaligen Weltmeister und Olympiasieger. Und noch mehr sind die in Sydney mit Olympia-Bronze dekorierten Frauen seit einigen Jahren das erfolgreichste Team des DFB.

Der größte Sportverband der Welt tut sich dennoch schwer, solches unters Volk zu streuen, wie das letztjährige Jubiläumsturnier des DFB durchaus bewies, das mehr oder weniger unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand. „Wer nichts tut, muss sich nicht wundern, wenn niemand kommt“, hatte US-Trainerin April Heinrichs damals moniert, und Aaron Heifetz, der Pressesprecher der Amerikaner, schlichtweg Zugpferde wie Franz Beckenbauer („Where is the Kaiser?“) vermisst.

Immerhin: Der DFB scheint daraus gelernt zu haben. Diesmal besucht Bundespräsident Johannes Rau das Eröffnungsspiel, Bundeskanzler Gerhard Schröder ist Schirmherr der ganzen EM. Doch darüber hinaus ist dem DFB noch nicht viel mehr Spektakel eingefallen, von der Fernsehübertragung eines schwachen Länderspiels gegen Russland neulich Nachmittag einmal abgesehen. Dennoch träumt Turnierdirektor Willi Hink, der über einen Etat von drei Millionen Mark verfügen darf, mutig von insgesamt 100.000 Zuschauern. Auskunftsfreudiger geben sich da die Spielerinnen und Trainerinnen selbst. Bereits am Montag gab Bundestrainerin Tina Theune-Meyer ihren EM-Kader bekannt, für dessen endgültige Nominierung sie noch bis 22. Juni und somit einen Tag vor dem Eröffnungsspiel Zeit hat. Neben Maren Meinert, Bettina Wiegmann (beide Boston Breakers) und Doris Fitschen (Philadelphia Charge) aus der neu gegründeten US-Profiliga wurden allein sieben Spielerinnen vom deutschen Meister 1. FFC Frankfurt berücksichtigt. Bei der EM nicht mit von der Partie ist hingegen Inka Grings vom FCR Duisburg. Die Torjägerin, die in 41 Länderspielen 23 Treffer erzielte, ist nach einer Reihe von Verletzungen offenbar nicht rechtzeitig fit geworden, einen Belastungstest in der Vorwoche musste sie gar abbrechen. „Es ist schade, denn Inka Grings ist eine Ausnahmespielerin“, bedauert dies Theune-Meyer, die ihren Kader nun noch zwei Testspielen gegen Kanada (Donnerstag in Goch und Sonntag in Oberhausen) unterziehen möchte.

Derweil werben in den EM-Spielorten die offiziellen Plakate für das Turnier, auf denen Sandra Smisek, Maren Meinert und auch die nicht nominierte Inka Grings zu sehen sind. Die Bilder stammen aus dem nicht ganz unumstrittenen Erotik-Kalender 2000 des FCR Duisburg. „Auch wenn wir uns zuerst über sportliche Leistung definieren, gibt es einen Zusammenhang zwischen Sport, Erotik und Erfolg“, sagt Trainerin Theune-Meyer. Und: „Ich hoffe, die Plakate werden ein Volltreffer.“

In Reutlingen, wo das Plakat mit Sandra Smisek die Stadt verschönert, wurden seit Öffnung der Ticket-Hotline am 1. Juni immerhin schon rund 3.000 Karten verkauft, obwohl das DFB-Team dort gar nicht spielt. „Ich lasse mich gerne fotografieren und kann mich mit der Aussage identifizieren“, sagt Smisek. Eigentlich müssen den Plakaten jetzt nur noch Taten und Tore folgen.