FRANKREICH MACHT ENTLASSUNGEN SCHWIERIGER – EIN WICHTIGES SYMBOL
: Ein europäisches Tabu gebrochen

Nach wochenlangem Streit hat das französische Parlament gestern beschlossen, die Firmen des Landes „sozialer“ und „moderner“ zu gestalten: Wirtschaftlich bedingte Entlassungen sollen künftig komplizierter und teuer werden. Die Betriebsräte erhalten ein stärkeres Oppositionsrecht gegen Unternehmensentscheidungen, die negative Folgen für die Belegschaft haben.

Diese Entscheidung wird allerdings voraussichtlich keinen Arbeitsplatz retten und auch kein Unternehmen an der Schließung hindern. Vor allem internationale Konzerne werden weiter die nötigen Argumente und Druckmittel finden, um Massenentlassungen und Umsiedelungen ins Ausland durchzusetzen. Es wird sie bloß etwas mehr kosten.

Dennoch ist das neue Gesetz ein wichtiges Symbol – für Frankreich und für Europa. Das französiche Parlament hat es gewagt, gegen ein zeitgenössisches Tabu anzugehen. Es hat zugunsten von ein bisschen mehr Sicherheit und ein bisschen mehr Rechten am Arbeitsplatz „reguliert“ – während fast alle anderen europäischen Eliten unisono die „Deregularisierung“ preisen. Das französische Parlament hat eine ketzerische Frage gestellt: Wem gehört der Reichtum aus den Unternehmen – den AktionärInnen, die damit spekulieren, oder den Beschäftigten, die ihn erwirtschaften? Dieser Denkanstoß ist das Bedeutsame der gestrigen Entscheidung von Paris.

Praktischen Nutzen für die Beschäftigten kann ein politisches Vorgehen gegen „Börsenentlassungen“ hingegen nur haben, wenn alle europäischen Länder nachziehen. Dazu müssen die sozialen Bewegungen sie bewegen: die Gewerkschaften, die linken Parteien und die Globalisierungsopfer, die in Frankreich durch massive Proteste für die Parlamentsentscheidung gesorgt haben.

Bis zu einer einheitlichen Regelung werden die Konzerne weiterhin Irland gegen Italien und Frankreich gegen Deutschland ausspielen. Und sich eben da ansiedeln, wo die Subventionen am höchsten, die Steuern und Löhne am niedrigsten und die Arbeitsgesetze am dehnbarsten sind.

DOROTHEA HAHN