Mit Risiko im Plan

Hans Eichel (SPD) legt einen Haushalt ohne Überraschungen vor. Union und FDP ist er zu optimistisch

aus Berlin MATTHIAS URBACH

Es gehört zu den Ritualen eines Kabinettsbeschlusses zum Haushalt, sich vorher ein wenig über einzelne Posten zu streiten. Am Ende dann hielt sich die Bundesregierung ziemlich genau an den mittelfristigen Finanzplan, wie ihn das Kabinett vor genau einem Jahr beschlossen hatte. Daran wird auch Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul nichts mehr ändern, die kurz vor der gestrigen Kabinettssitzung noch einen kleinen Nachschlag durchsetzte.

Wirklich neu ist dagegen, dass der Haushalt erstmals komplett in Euro berechnet ist – schließlich müssen wir uns alle 2002 an die neuen Geldscheine gewöhnen. Um rund 1,6 Prozent legen die Staatsausgaben zu – auf 248 Milliarden Euro (486 Milliarden Mark). Die Neuverschuldung liegt, wie geplant, bei 21 Milliarden Euro (41 Milliarden Mark), wird also lediglich um eine Milliarden Euro sinken – schließlich sind 2002 Wahlen.

Es gehört ebenfalls zu den Ritualen, dass der Finanzminister sich als Sparkommissar stilisiert. Eigens bat er dafür gestern die Fotografen zum Termin, um sich auf seinem neuen Dienstfahrrad auf dem Weg zur entscheidenden Kabinettssitzung im Kanzleramt ablichten zu lassen. Die intendierte Werbebotschaft: Der Minister ist so sparsam, dass er auch gleich noch Benzin spart.

Doch das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass zwar der Haushalt dem Finanzplan entspricht, doch die Wirtschaftslage noch einige Risiken birgt: Abkühlendes Geschäftsklima, steigende Inflation und stagnierende Beschäftigung könnten das angepeilte Wirtschaftswachstum von 2,25 Prozent im nächsten Jahr noch ins Wanken bringen – und damit die ganze Rechnung. Bei der Stilisierung Eichels zum Sparkommissar wird zudem gern vergessen, dass es die Fachminister selbst sind, die wacker kürzen. Besonders sparsam war Wirtschaftminister Werner Müller, der seinen Etat um 13 Prozent zusammenstrich: „Es ist ja nicht der größte Star, der möglichst viele Steuergelder verbrät.“

Doch nicht alle Minister wollten sparen: Insbesondere Verteidigungsminister Rudolf Scharping setzte sein ganzes politisches Gewicht für einen Nachschlag ein – vergebens. Er muss 1,4 Prozent sparen, obwohl schon jetzt das Material fehlt, Versprechungen gegenüber der Nato zu erfüllen. Trotzdem ging Scharping nicht ganz leer aus: Ab 2003 soll er 250 Millionen Euro dazubekommen – falls er dann noch Minister ist. Etwas erfolgreicher war da Verbraucherministerin Renate Künast, die zusammen mit ihrem Haushälter, Staatssekretär Matthias Berninger (siehe Interview), noch 77 Millionen Euro (150 Millionen Mark) herausholte.

Klare Gewinner im Haushalt sind Verkehrsminister Kurt Bodewig und Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (beide SPD), die ihre Etats um 6 beziehungsweise 3 Prozent steigern konnten – dank der Zinserlöse aus dem Verkauf der Mobilfunklizenzen. Nominal steigt der Gesundheitsetat am stärksten, was jedoch allein auf einen fälligen Kredit für ostdeutsche Pflegeheime zurückzuführen ist.

Auch dieses Mal hat der Sparkurs wieder einen entscheidenden Schönheitsfehler: Obwohl die Gesamtausgaben steigen, schwinden die Ausgaben für Investitionen um knapp fünf Prozent. Nicht nur der BDI und Wirtschaftsforscher kritisieren diesen Kurs, auch FDP und CDU schossen sich auf diesen Umstand ein: „Die Investitionen sinken auf ein historisches Tief“, klagt der haushaltspolitische Sprecher der Union, Dietrich Austermann. Das Problem: Anders als die Ausgaben für den Konsum, die in diesem Haushalt deutlich wachsen, bringen nur Investitionen dem Staat früher oder später eine Rendite ein.