Völkermordklage gegen Exdiktator Ríos Montt

Nach der Verurteilung der Mörder des Bischofs Gerardi ist die guatemaltekische Justiz nun auch hinter den ehemaligen Militärherrschern her

SAN SALVADOR taz ■ Das Urteil gegen drei Militärs und einen Priester wegen des Mordes an dem guatemaltekischen Weihbischof Juan Gerardi scheint der guatemaltekischen Justiz Mut zu machen. Noch keine Woche ist es her, dass die vier zu 20 und 30 Jahren Haft verurteilt wurden, und schon ordnen zwei weitere Gerichte Ermittlungen gegen die ehemaligen Militärdiktatoren Romeo Lucas García (1978 bis 1982) und Efraín Ríos Montt (1982 bis 1983) wegen Völkermord an. Vor dem Gerardi-Urteil waren Klagen gegen die beiden Diktatoren von den Gerichten stets zurückgewiesen worden.

Menschenrechtsgruppen wussten, dass es schwierig werden würde, die beiden vor Gericht zu stellen. Sie warteten deshalb auf eine politisch günstige Situation. Der Anwalt Frank la Rue hatte seine Völkermord-Klage gegen Ríos Montt schon Monate fertig in der Schublade liegen. Er vertritt zwölf indianische Gemeinden, in denen die Armee unter der Herrschaft Ríos Montts 1.400 Zivilisten massakriert hatte. Erst in der vergangenen Woche, kurz vor dem Urteil im Gerardi-Prozess, wurde die Klage eingereicht. Anfang Mai hatte bereits die Menschenrechtsgruppe „Vereinigung für Versöhnung und Gerechtigkeit“ ähnliche, aber weniger detaillierte Klagen gegen Ríos Montt und Lucas García zum Gericht getragen.

Beide Kläger ahnten: Egal wie das Gerardi-Urteil ausfällt – wegen der internationalen Aufmerksamkeit wird es der guatemaltekischen Justiz hinterher schwer fallen, ihre Klagen einfach abzulehnen. Und das Urteil wurde besser als erwartet. Das Gericht unterstellte den Militärs, sie hätten Gerardi im April 1998 aus Rache für dessen Bericht über Menschenverletzungen im guatemaltekischen Bürgerkrieg (1960 bis 1996) ermordet. Gleichzeitig wurden Ermittlungen angeordnet, um die Hintermänner der Bluttat zur Verantwortung zu ziehen.

Es dürfte nicht weiter schwer fallen, die Vorwürfe gegen Lucas García und Ríos Montt nachzuweisen – denn die juristische Herleitung des in Bezug auf die Bluttaten anderer lateinamerikanischer Dikaturen umstrittenen Vorwurfs des „Völkermordes“ findet sich bereits in dem Anfang 1999 veröffentlichten Bericht der guatemaltekischen Wahrheitskommission. In der Regierungszeit der beiden Diktatoren, heißt es da, fand ein Völkermord an den Mayas statt, angeordnet von höchster Stelle.

Ob die beiden Exdiktatoren deshalb vor Gericht kommen, ist jedoch eine andere Frage. Lucas García lebt seit Jahren als Geschäftsmann in Venezuela. Dem Vernehmen nach leidet er an der Alzheimer-Krankheit. Ríos Montt ist Vorsitzender der rechten Regierungspartei „Republikanisch guatemaltekische Front“ und genießt als Parlamentspräsident Immunität. Es ist also derselbe lange juristische Hickhack zu erwarten wie im Fall Pinochet in Chile. TONI KEPPELER